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Herzklopfen für Anfänger

Herzklopfen für Anfänger

Titel: Herzklopfen für Anfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Barrett-Lee
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meine Mutter gestern Abend gesagt hatte, war dieser Teil von ihm schon mit Tricias Tod gestorben. Ich schaute ihm in die Augen und lächelte ihn an.
    Nein, falsches Wort. Nicht gestorben. Er war einfach an diesen Friedhof gekettet. Seit dem Tag, als er sich einen Ersatz gesucht hatte, damit er versorgt war. Eine Mutter für sein Kind. Ich würde ihn nicht umbringen. Nein, im Gegenteil. Er konnte weitergehen. Aber ohne mich. Ich gab ihn frei.
    »Ich kann nicht bei dir bleiben, Jonathan.«
    »Ich weiß«, antwortete er.
    »Ich kann nicht bei dir bleiben, weil du mich nicht genug liebst. Mich nicht genug lieben kannst.«
    Es war leicht, es auszusprechen, aber so schwer zu begreifen gewesen. Vielleicht hatte ich deshalb so lange dazu gebraucht.
    »Doch, ich liebe dich, Sally. Es ist nur …« Er blickte den Weg entlang, den wir gerade gekommen waren. »Nein«, sagte er traurig. »Nicht genug. Ich weiß.« Er steckte die Hände in die Taschen. »Kommst du mit nach Hause?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Noch nicht. Ich fahre noch etwas herum. Fahr du nach Hause und geh ins Bett. Wir reden morgen, okay?«
    Er wollte protestieren, aber ich hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.
    »Ich habe mein Handy dabei. Merlin ist im Auto. Mir passiert schon nichts. Bitte, fahr nach Hause.«
    Einen Moment lang blickte er mich an, dann nickte er und ging die Straße entlang zu seinem Auto.
    Ich blickte zu den Sternen und dachte an Ruths Strafpredigt. Jetzt verstand ich, was sie gemeint hatte. Ich hatte endlich meine Ohrfeige bekommen.

32
    Was tut ein Magen? Hebt er sich? Überschlägt er sich? Verknotet er sich? Ich saß in meinem Auto in der Stille, die Jonathans Wegfahren folgte, und dachte eine Weile darüber nach. Ich konnte es zwar nicht genau beschreiben, aber etwas tat sich in meinem Bauch. Der Grund dafür war, dass ich zum ersten Mal seit jener Nacht auf der Landstraße meinen Weg klar vor mir sah. Ich konnte mir ein anderes Leben vorstellen als das, was ich bisher geführt hatte. Ich konnte mir vorstellen, geliebt zu werden.
    Ende Juni ist die Leier eines der hellsten Sternbilder am Himmel. Ich sah die Wega in ihrer Mitte, wie sie von ihrem Aussichtspunkt hoch am Himmel auf mich herunterschaute. Es war zehn nach drei. Um diese Zeit waren kaum noch Menschen wach. Aber wir waren keine gewöhnlichen Menschen. Ich griff nach meinem Telefon. Die Nummern leuchteten auf dem Display auf, als zögen sie mich in eine fast vergessene Umarmung. Ich drückte die Anruftaste und wartete auf das Freizeichen.
    Ich würde herausfinden, um wie viel Uhr sein Flug ging. Es spielte keine Rolle, dass er abflog. Ich würde ihn sehen, ihn umarmen und ihm sagen, dass ich ihn liebte. Was danach passierte, würde ich der Vorsehung überlassen. Oder sogar dem Schicksal.
    Es war egal, wie man es bezeichnete. Ich würde mich nur zu gern davon leiten lassen. Uns leiten lassen. Und wir würden akzeptieren, dass manche Dinge so sein mussten, dass manche Dinge eben in den Sternen standen.
    Das Telefon läutete und läutete. Und dann sprang die Mailbox an.
    Die Nummer, die Sie gewählt haben, ist im Augenblick nicht zu erreichen. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.
    Mist. Mist. Vielleicht hatte er nur schlechten Empfang, Vielleicht befand er sich gerade in einem Tunnel. Vielleicht, dachte ich mit ängstlich klopfendem Herzen, war er schon am Flughafen und hatte sein Handy ausgeschaltet. Ich steckte den Schlüssel ins Zündschloss, besann mich dann aber eines Besseren.
    Ich würde ihm eine SMS schicken. Dann würde sein Handy piepsen, sobald er es wieder anschaltete. Ja, das wäre das Beste. Ich würde eine SMS schicken und dann hinfahren. Mit zitternden Fingern scrollte ich das Menü entlang. Nachrichten verfassen, stand da. Der Cursor blinkte.
    Nick, ich bin es, schrieb ich. Ich bin auf dem Weg zum Flughafen. Ich muss mit dir reden. Willst du mich sehen?
    O Gott, wohin? Welches Terminal? Wahrscheinlich Nord, dachte ich. Es musste Nord sein, er flog mit BA, oder? Oder? Ganz bestimmt.
    An der Kaffeebar?, tippte ich. Ob der Stand wohl aufhatte? Ob überhaupt etwas aufhatte? Warum antwortete er bloß nicht? Oder bei McDonald’s?, schlug ich vor.
    Dann tippte ich: bin unterwegs, und fügte sieben Küsse hinzu.
    Einen für jede der sieben Schwestern. Ich ließ den Motor an, legte das Handy neben mich, schaltete die Scheinwerfer ein und machte mich auf den Weg.
    Déjà vu.
    Die Straße war breit, leer und dunkel. So wie Landstraßen bei Nacht eben

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