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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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1
    Kimmo Joentaa war allein mit ihr, als sie einschlief.
    Er saß in dem abgedunkelten Raum neben ihrem Bett, hielt ihre Hand und bemühte sich, ihren Puls zu fühlen. Wenn er ihn verlor, wenn er auch ihr leises Ein- und Ausatmen nicht mehr hörte, hielt er die Luft an, beugte sich zu ihr hinab und verharrte still, um den Kontakt zurückzugewinnen. Er entspannte sich, sackte ein wenig in sich zusammen, wenn er die leichten Schläge unter ihrer Haut wieder an seinen Fingern spürte.
    Mehrmals sah er auf die Uhr, weil er glaubte, es sei vorbei. Er hatte sich vorgenommen, den Zeitpunkt ihres Todes festzuhalten, ohne darüber nachzudenken, warum. Der Gedanke war ihm schon Tage zuvor gekommen, als er auf der Wartebank vor ihrem Zimmer gesessen und auf die schneeweiße Tür gestarrt hatte, hinter der sie lag. Rintanen, der behandelnde Arzt, hatte ihn auf die Seite gezogen, bevor er mit starken Medikamenten und aufmunterndem Lächeln zu ihr hineingegangen war, hatte ihm gesagt, es könne zu Ende gehen, sehr bald, jederzeit.
    Er verließ sie nicht mehr, nahm seine Mahlzeiten an ihrem Bett ein und verbrachte die Nächte in einem unruhigen Halbschlaf, aus dem er minütlich aufschreckte, fürchtend, in den letzten Sekunden ihres Lebens nicht bei ihr zu sein.
    Im Schlaf sah er ein Dickicht aus grauen Träumen.
    In den Tagen vor ihrem Tod begann sie, Geschichten zu erzählen, die er nicht verstand. Sie erzählte ihm von Bildern, die sie sah, von einem roten Pferd, auf dem sie ritt, und von Reisen in Länder ihrer Fantasie. Sie sprach mehr zu sich selbst als zu ihm und sah durch seine Augen ins Leere. Einmal fragte sie ihn, wer er sei und wie er heiße. Er sagte »Kimmo«, und sie formte den Namen mit ihren Lippen.
    Er streichelte ihre Hand, hörte ihr zu, lächelte, wenn sie lächelte, und verbot sich, in ihrem Beisein zu weinen. Einige Male fragte sie ihn, ob er sie auf dem roten Pferd reiten sehen könne, und er nickte.
    Rintanen erklärte ihm auf seine Anfrage hin, die Halluzinationen seien Nebenwirkungen der Medikamente.
    Sie habe keine Schmerzen.
    Ihr Tod trat nachts ein, drei Tage nachdem Rintanen ihn über die Verschlechterung ihres Zustands informiert hatte. Es war dunkel im Zimmer, er spürte ihre Hand und erahnte ihre Augen und Lippen. Er begann, in den Halbschlaf hinabzugleiten, wurde zurückgerissen von der plötzlichen Angst, die Pause zwischen ihren Atemzügen werde nicht enden. Er tat, was er oft getan hatte, hielt die Luft an, beugte sich zu ihr hinab und verharrte still. Er wartete auf ihr leises, flaches Atmen, auf den schwachen Puls an seinen Fingern, aber dieses Mal kam nichts.
    Er begann, ihren Arm zu streicheln, und beugte sich tiefer hinab, bis seine Wange ihre Lippen streifte. Er strich langsam über ihr kaltes Gesicht, ließ den Kopf auf ihren Schoß sinken. Dann richtete er sich auf und sah auf die Uhr.
    Es war vierzehn Minuten nach drei, und sie war eingeschlafen.
    Der Gedanke an den Moment ihres Todes und an die Minuten danach hatte ihn häufig beschäftigt, hatte ihn heimgesucht gegen seinen Willen, er hatte sich bemüht, ihn abzuschütteln. Halb bewusst hatte er geglaubt, gehofft, ihr letzter Atemzug werde auch sein Leben zum Stillstand bringen. Manchmal hatte er sich vorgestellt, dass er weinen würde, wie er nie zuvor geweint hatte. Es war ein tröstlicher Gedanke gewesen, denn in dem Bild, das er sah, hatten die Tränen den Schmerz überdeckt, vielleicht sogar langsam aufgefressen.
    Jetzt, als der Moment gekommen war, dachte er nicht an die Vorstellungen, die er sich von ihm gemacht hatte. Er streichelte ihre Hand, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sein Leben war nicht zum Stillstand gekommen, und er weinte nicht. Seine Augen, sein Rachen, seine Lippen waren ganz trocken. Später konnte er sich nicht erinnern, etwas gedacht zu haben in den Minuten, die vergingen, bis die Nachtschwester kam und er ihr sagte, sie sei gestorben.
    Die Nachtschwester schaltete das Licht an, trat an ihr Bett heran, prüfte ihren Puls und fixierte ihn mit einem routiniert mitfühlenden Blick. Er wich aus und sah Sanna, deren Gesichtszüge er zuvor in der Dunkelheit erahnt hatte, im grellen Licht.
    Für einen Moment glaubte er, sie schlafe nur.
    Die Nachtschwester ging hinaus, ohne ihn anzusprechen, und kehrte wenige Minuten später mit Rintanen zurück, dessen Mitgefühl ihm echt erschien. Rintanen hatte ihm ermöglicht, gegen die Regeln des Krankenhausbetriebes Tag und Nacht bei ihr zu sein. Er nahm sich vor, ihm dafür

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