Herzschlagzeilen
gekümmert.
Die Kocherei ist der einzige positive Nebeneffekt an Papas neuem Job. Er kocht echt gerne und auch ziemlich gut, ganz im Gegensatz zu Mama. Sie hasst Kochen. Und ihre
englische Phase
, wie Papa sie nennt, hat sie letztendlich in dieser Meinung nur bestätigt. Mama hat nämlich ein absolutes Faible für alles, was englisch ist. Deshalb liest sie auch nicht einfach irgendwelche Liebesromane. Nein. Ihr unübertroffener Favorit ist Rosamunde Pilcher. Liebe, Leid und Leidenschaft gehören zusammen, sagt Mama immer. Und das alles möglichst in einem englischen Landhaus hoch über den Klippen Cornwalls, von denen sich die unglücklich Verliebten dann gerne hinunterstürzen, vorzugsweise direkt in die Arme eines jungen Mannes aus adligem Hause.
Mamas Leidenschaft verdanken wir nicht nur die weiß gestrichene Holzvertäfelung in der Küche und eine Sammlung kitschiger Porzellanfigürchen auf der Fensterbank, sondern leider auch unsere Vornamen.
Kiki heißt eigentlich Kimberly Alicia und mein richtiger Name lautet Emily Isabelle.
Keine Ahnung, was meine Eltern sich dabei gedacht haben. Mein Bruder Colin, mit vollem Namen Colin Ethan Heimbucher, meinte einmal, dass man ihnen dafür eigentlich das Sorgerecht hätte entziehen müssen. Darauf meinte Papa nur, er solle froh sein, dass Mama kein Faible für asiatische Autoren hat, sonst würden wir wahrscheinlich Phuong-Anh, Saranya-Akima und Somchai-Liang heißen und müssten jeden Tag mit Stäbchen essen. Dabei bin ich mir fast sicher, dass chinesisches Essen sehr viel besser schmeckt als das, was bei uns aufgetischt wurde, als Mama dieses Rosamunde-Pilcher-Kochbuch anschleppte.
In dieser Zeit ging unser ganzes Taschengeld für Döner drauf, sonst wären meine Geschwister und ich gnadenlos verhungert. Papa meinte damals, es sei kein Wunder, dass all diese Lovestorys in Leid und Wahnsinn gipfeln, Liebe gehe schließlich durch den Magen. Und zum Glück für uns fing er dann irgendwann an, den Kochlöffel zu schwingen.
Heute allerdings hat er nur belegte Brote gemacht und mich dazu verdonnert, Gemüse für eine Rohkostplatte zu schneiden. Dann ist er zur Arbeit gegangen. Seit er diesen neuen Job hat, muss er nicht nur nachts arbeiten, sondern oft auch am Wochenende.
Da ich Hunger hatte, beschloss ich, die Auseinandersetzung mit meiner kleinen Schwester auf später zu verschieben. Aber sobald sie und Mama sich an den Tisch gesetzt hatten, musste ich mich schwer beherrschen, nicht gleich über sie herzufallen.
Kiki scheint sich der Gefahr, in der sie schwebt, überhaupt nicht bewusst zu sein. Jedenfalls plappert sie ununterbrochen, erzählt von den Büchern, die sie ins Schaufenster gelegt hat, von den wunderbaren Covern, von dem grünen Kunstrasen mit Gänseblümchen, den sie in irgendeiner Kiste gefunden haben, und von Mamas Idee mit dem Picknickkorb zwischen den Büchern.
Ich greife zu meinem Glas Wasser, um die Reste der Tomate runterzuspülen.
»Und dann haben wir über dem Ganzen noch eine Lichterkette aus gläsernen Schmetterlingen aufgehängt«, schwärmt Kiki und ich verschlucke mich.
Ich spucke das Wasser über den Tisch, es läuft mir aus der Nase, tränt aus meinen Augen, und ich huste und huste, bis Colin mir kräftig auf den Rücken schlägt.
»Überlebst du es oder soll ich den Notruf wählen?«, fragt mein großer Bruder, während ich nach Luft ringe.
»Isa, was soll das denn? Kannst du dich nicht benehmen?« Mama sieht missbilligend zu mir rüber.
Ich röchele immer noch, aber Kiki plappert schon weiter. Und deshalb kriege ich auch gar nicht mit, dass das Telefon klingelt. Erst als ich meinen Namen höre, schaue ich auf.
»Ja sicher, Isa ist da. Sie kämpft nur gerade gegen eine dieser lästigen Killertomaten. Du weißt schon, sie greifen immer dann an, wenn man gar nicht damit rechnet.«
Colin steht mit dem Hörer am Ohr neben mir und grinst. Ich will gerade nach dem Telefon greifen, als ich schon wieder husten muss.
»Ist … das … Nina?«, ächze ich, aber Colin denkt gar nicht daran, das Gespräch zu beenden.
»Nur für den Fall, dass meine kleine Schwester nicht überlebt, kann ich dann bei euch im
Brennpunkt
eine Traueranzeige aufgeben?«, höre ich ihn sagen. »Und bekomme ich als Familienangehöriger eigentlich Prozente?«
»Colin«, ich springe auf und entreiße ihm den Hörer.
»Hallo? Nina, ich …« Wütend funkele ich meinen Bruder an. »Ach so, Luke, du bist es.«
Colin grinst und verdreht die Augen. Ich ramme ihm meinen
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