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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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seiner Jacke. Seine Finger packten den kleinen Revolver und zogen ihn hervor. Sicherer fühlte er sich damit nicht.
    Er entschied sich, die Treppe wieder hinunterzugehen – rückwärts, um die Tür nichts aus den Augen zu lassen –, und das Haus zu umrunden. Kayssler würde nicht so weit gehen, sich einen solchen Scherz mit ihm zu erlauben. Trotzdem beobachtete Eisenstein auch die Fenster. Wehe, wenn er den Wissenschaftler oder einen seiner Lakaien mit grinsendem Gesicht hinter der Scheibe entdecken sollte!
    Vorsichtig näherte er sich der linken Ecke des Gebäudes, bog herum und ging an der Seitenwand entlang zur Rückseite. Ginsterbüsche hatten sich am Fuß der Mauer angesiedelt, und wilder Wein wucherte an der Wand empor. Die Sonne näherte sich dem westlichen Horizont und warf Eisensteins Schatten verzerrt auf die Fassade. Außer dem Krächzen der Krähen und dem Rauschen des Sees im Moorwind war nichts zu hören. Der Heideteppich schluckte sogar seine Schritte.
    Als er die Rückseite des Hauses erreichte, öffnete sich vor ihm der Blick auf den runden See. Es war ein kleines Gewässer, kaum größer als zwei Sportplätze, und sein Ufer war zerfurcht von zahllosen Schneisen, wo schmale Bäche und Rinnsale einmündeten. Die Oberfläche glitzerte betörend. Fraglos ein hübscher Anblick.
    Trotzdem konnte das Eisensteins Laune nicht heben. Ganz im Gegenteil; mit jedem Schritt ging sein Atem schneller – nicht vor Anstrengung –, und seine Füße wurden schwer wie Blei. Herrgott, er war Beamter, kein Held! Er durfte Angst haben. Mut gehörte nicht zu seinen besonderen Merkmalen, und meist hatte er keinen nötig.
    »Kayssler?« rief er noch einmal und schalt sich gleich darauf einen Narren. Der Wissenschaftler würde ihm keine Antwort geben, gleichgültig aus welchem Grund. Jeder unnötige Laut würde die Gefahren, die hier lauern mochten, nur auf ihn, auf Eisenstein lenken.
    Er wandte den Blick vom See und der süchtig machenden Weite der Moore ab und schaute statt dessen zur Hinterwand des Gebäudes. Auch hier führte eine Treppe nach oben, hinauf zu einer weitläufigen Terrasse. Zwischen den gesprungenen Bodenplatten wuchs das Unkraut so hoch, daß seine Spitzen sich bereits über die steinerne Brüstung neigten.
    Die doppelflügelige Hintertür war zersplittert. Ebenso sämtliche Fensterscheiben im Erdgeschoß. Eisenstein sandte ein Stoßgebet zum Himmel. Das waren keine Folgen des jahrzehntelangen Verfalls. Diese Wunden waren frisch.
    Sein erster Reflex war, sich herumzuwerfen und zurück zum Wagen zu laufen. Motor starten und auf und davon. Doch so einfach war es nicht. Die anderen, die von Kayssler wußten, würden einen Bericht erwarten. Und unglücklicherweise war Eisenstein der Rangniedrigste von allen. Sie würden es ihn über Jahre hinweg spüren lassen, wenn er jetzt einfach kehrtmachte. Schlimmer noch, es war möglich, daß eine Flucht das Ende seiner Laufbahn bedeutete.
    Nun gut, er würde einen Blick ins Innere werfen. Möglicherweise reichte das, um zu erkennen, was hier geschehen war. Langsam stieg er die Treppe zur Terrasse hinauf. Zu seiner Überraschung waren Tür und Scheiben nach innen gesplittert. Er hatte angenommen, etwas sei von drinnen nach draußen entkommen; etwas, das aus Kaysslers Labor entwichen war. Aber ein Eindringling von außen? Also doch Spione. Das machte ihn nicht glücklicher, gab ihm aber die Gewißheit, daß sein Revolver von Nutzen sein mochte. Er faßte die Waffe fester und betrat die Terrasse.
    Die von Unkraut überwucherte Fläche war leer. Kein Lebenszeichen. Also mußte er noch näher an die Tür heran. Vielleicht war es besser, wenn er erst einen Blick durch eines der zersplitterten Fenster warf. Er näherte sich lautlos dem leeren Rahmen rechts neben der Tür und sah hinein. Der Raum dahinter war verlassen. Die Scheiben waren in winzige Scherben zersprungen, sie bedeckten den gesamten Boden. Das hereinfallende Tageslicht ließ sie aufblitzen wie Millionen funkelnder Eiskristalle. Nur eine Bombe hätte das Glas in derart kleine Partikel zertrümmern können. Wo aber waren Spuren von Rauch oder Feuer? Eisenstein konnte nichts dergleichen entdecken.
    Zögernd, geplagt von einem Schweißausbruch nach dem anderen, wandte er sich zur Tür und trat hindurch. Die hölzernen Flügel waren bis auf ein paar Splitter rund um die Scharniere verschwunden. Der Boden des dahinterliegenden Korridors sah aus, als hätte jemand einen Sack voller Sägemehl ausgestreut. Auch hier

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