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Hexen in der Stadt

Hexen in der Stadt

Titel: Hexen in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Engelhardt
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bei seiner Ehre.«
    »Uns!« Der Mann lachte auf. »Begreifst du nicht, daß schon dies Versprechen eine Drohung ist? Es besagt, daß auch wir vom Verdacht nicht ausgeschlossen sind. Er kann es nicht halten, selbst wenn er wollte, eines Tages nicht mehr. Solche Dinge rollen nach ihrem eigenen Gesetz ab wie eine Feuersbrunst oder ein Hochwasser. Was soll da ein Ehrenwort!«
    »Es ist ein besserer Schutz, als du denkst. Ihr Ehrenwort – das gilt den Leuten seines Schlages immer noch höher als jeder fromme Schwur, und erst ihm, der so stolz darauf ist, es zum Reichsfürsten gebracht zu haben.«
    »Woher willst du das wissen?«
    Wieder sah er auf ihrem Gesicht das geisterhafte Lächeln, kaum sichtbar und sogleich verschwunden. In hilflosem Zorn hob er die Hand und ließ sie wieder sinken, schlug die Augen nieder vor ihrem Blick und ging stumm aus der Tür.
    Die Frau horchte ihm nach, wie er schweren Schritts die Treppe hinaufstieg. Dann, da sie die Magd noch in der Küche wirtschaften hörte, ging sie und schickte das Mädchen zu Bett. Weder der Herr Doktor noch sie selbst wollten essen. Sie legte das nasse Oberkleid, Haube und Schuhe ab und breitete sie über der Küchenbank, nahe der Herdglut, zum Trocknen aus. Dann stieg auch sie in die Schlafkammer unter dem Dach hinauf. Sie brauchte keine Kerze, die Sommernacht, wieder beruhigt, war hell genug. Ihr matter Schein drang durch jedes Fenster, jede offene Tür ins Innere des Hauses.
    Die Kammer der Töchter stand offen. Einträchtig wie Kinder lagen sie nebeneinander in dem breiten Bett, die Wange in den angewinkelten Arm gedrückt, im ersten tiefen Schlaf. In der großen Giebelstube, deren Fenster nach dem Strom hinausging, hatte sich Sebastian Reutter nur halb entkleidet auf das Bett geworfen. Auch er schlief schon oder stellte sich so.
    Die Frau streifte ihn mit einem Blick, ging zum Fenster und öffnete es. Vom Wetter gereinigt, strömte die Luft in den dumpfen Raum. Die Gossen rauschten noch und unter den nahen Brückenpfeilern der Strom. In der Ferne rief ein Wächter die Stunden aus. Sonst schlief die Stadt. Konnte ein so tiefer Friede trügen? Lange stand die Frau, beide Hände um den Fensterriegel gelegt, in Gedanken versunken.
    Ihr habt nichts zu fürchten, dachte sie. Das weiß ich besser als du, Sebastian. Er wird sein Wort halten. Aber ist das wirklich ein Trost? Daß es die Ausnahme sein wird unter Tausenden, gegenüber dem, was morgen über Stadt und Land hereinbrechen wird? War das wirklich alles, was du erreichen wolltest? Dann bist du sehr bescheiden geworden! Du hättest ihn zwingen können, hättest alles abwenden können, für alle, wärest du nur allein gewesen mit ihm. Der junge Pater, der war harmlos, ohne Arg wie ohne Ahnung. Aber der Alte, der Doktor, der ist böse – der Böse –, die Gegenkraft. Ach, ich habe alles falsch angefangen, ohne Überlegung. Aber blieb mir denn Zeit? Es war ja schon viel, daß ich überhaupt zu ihm vordrang.
    Ein Geräusch im Flur schreckte sie auf. Sie ahnte sogleich, was es war, lief hinaus und fing noch an der Kammertür die zarte Gestalt im wehenden Hemdchen in ihren Armen auf. Mit geschlossenen Augen, die Hände tastend vorgestreckt, war ihre Jüngste unterwegs zur nächtlichen Wanderung, geradewegs auf den dunklen Treppenschacht zu.
    Ach, fing das nun wieder an? Sie hatte das Kind geheilt geglaubt. »Sabine, Rotköpfchen, was fällt dir ein?« flüsterte sie. »Das kann dich das Leben kosten.« Dabei dachte sie aber schon nicht mehr an den dunklen Treppenschacht. Sie brachte die kleine Schlafwandlerin wie ein Kind zu Bett. Katrin, die ältere, regte sich ein wenig und murmelte, wurde aber nicht wach. Sie war robuster als die kleine Schwester, mit gesundem Schlaf und einem ruhigen Gemüt gesegnet, auch schöner – sehr schön mit ihren schweren blonden Zöpfen. Sie würde den Eltern kaum Sorgen machen.
    Aber das Rotköpfchen! Auf dich werde ich aufpassen müssen, dachte die Mutter – jetzt mehr als je. Du gleichst mir ja viel zu sehr. Der Vater muß dir Mohnsaft geben, damit du fest schläfst in den Nächten und dir nicht wieder so etwas geschieht wie heut. Veronika legte die Hände auf Herz und Stirn ihres Kindes und murmelte leise Worte. Schnell sank Sabine in tiefen Schlaf. Die Mutter aber blieb auf dem Bettrand sitzen, wachsam und voller Sorge, bis auch ihr der Kopf aufs Kissen sank und sie einschlief, halb über ihren Kindern liegend. Da sangen schon die ersten Vögel im Birnbaum

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