Hexen: Vier historische Romane (German Edition)
beheben?“
Er setzte zu einer spöttischen Antwort an, besann sich jedoch und presste stattdessen hervor: „Schon, schon, doch dazu brauchte ich fachliche Hilfe und teure Ersatzteile.“
„Die Mühle gehört doch dem Feudalherrn?“
Der Spott in seinem Ausdruck nahm noch zu, als er kurz nickte.
„Wie teuer käme denn die Reparatur?“, bohrte ich weiter, und da er nur mit den Achseln zuckte, zählte ich auf: „Fünfzig Mark? Siebzig? - Noch mehr?“ Auch darauf bequemte er sich zu keiner Antwort, weshalb ich deutlicher wurde: „Ich will Euch helfen, nennt mir die Summe, und ich versuche, sie zu beschaffen.“
„Das möchte ich erleben“, stieß er zwischen den Zähnen hervor, doch ich blieb beharrlich:
„Lasst es drauf ankommen, nennt mir die Summe.“
Nun explodierte er: „Schert Euch in Eure Gutsküche!“
Das entflammte auch in mir Wut, ich pfefferte zurück: „Sturkopf, Ihr!“ Da ich jedoch nicht unverrichteter Dinge das Feld räumen wollte, ließ ich ihn, während ich in den Sattel stieg, wissen: „Mein Angebot steht trotzdem.“
Bereits als ich das Dorf wieder erreichte, war mein kurzer Wutausbruch verraucht, da ich wusste, dass des Müllers ablehnendes Verhalten nicht aus Sturheit rührte, vielmehr war dieser Mann blind vor Kummer. Ebenso verbittert musste der Dorfbäcker sein, und dass es die Bauern ebenfalls waren, hatte ich heute Morgen vor Augen gehabt.
Zurück auf dem Gut, stieß ich vor den Stallungen auf Herrn von Kahl und bat ihn um ein Gespräch. Darauf ging er gerne ein, äußerte jedoch, dass seine Zeit bemessen sei und meine ebenfalls, da gerade der Arzt nach dem Herrn Baron schaue und mich anschließend im Empfangssalon erwarte. Deshalb erkundigte ich mich auf unserem gemeinsamen Weg zum Gutshaus bei ihm nach den desolaten Holzhäusern am Südrand des Dorfes. Sie würden als Hauersiedlung bezeichnet, klärte mich Herr von Kahl auf, da sie von den in der Erlenroder Silbermine tätigen Hauern bewohnt würden. Ich wollte mehr über Erlenrode erfahren, vor allem, weshalb die Dörfler so abweisend seien. Doch Herr von Kahl erteilte mir nur dürftige Auskunft und riet mir am Ende, dem Dorfleben nicht weiter nachzugehen, ich würde ohnehin nur Halbwahrheiten oder diesen törichten Klatsch über einen Satansfluch zu Ohren bekommen. Er spreche aus Erfahrung, denn auch er, erst seit einem halben Jahr hier tätig, habe von dem Erlenroder Dorfältesten, den beiden Pfarrern und dem Gutsgesinde darüber hinaus nie etwas erkunden können.
D er Arzt war ein wortkarger Mann. Auf meine Frage, was dem Herrn Baron fehle, antwortete er in knappem, jedoch verbindlichem Ton: „Alles ist in ihm zusammengebrochen, jedes Organ. Obschon er erst siebenundfünfzig ist. Viel zu jung für solch einen Zustand. Er mag nicht mehr leben, verweigert seit vergangener Woche jegliche Speise und Medizin. Und seit heute sogar Getränke.“
Das war weit ernster, als ich angenommen hatte. Solche Zustände rühren meist von tief sitzendem Leid oder Schuldgefühl her, wusste ich, weshalb ich nachforschte: „Er hat doch seine Gemahlin verloren, wie lange ist das her?“
Darauf blinzelte der Arzt irritiert und blickte dann abwesend aus dem Fenster. An scheinend hatte er meine Frage nicht verstanden, weshalb ich sie wiederholen wollte, doch als ich dazu ansetzte, brachte er, noch immer abwesend, hervor: „Es ist schon einige Zeit her. Ein Drama. Aber führt nicht alles auf dieses Unglück zurück, Frau von Tornle, unser Patient hat seitdem ein ungesundes, schon selbstmörderisches Leben geführt. Ihr müsst wissen, dass er dem Alkohol verfallen war.“
Plötzlicher Witwerstand mit folgender Trunksucht, kombinierte ich, und nach einigem Nachdenken erklärte ich dem Arzt: „Zunächst kann ich ihn lediglich mit verschiedenen Getränken wieder zur Nahrungsaufnahme bewegen.“
„Das versucht halt, womöglich gelingt es Euch. Doch achtet darauf, dass ihm die Getränke auch wirklich verabreicht werden.“
„Wie meint Ihr das?“
„Fragt nicht“, gab er knapp zurück, „befolgt nur meinen Rat. Welcher Kammerdiener auch immer ihm die Getränke reicht, es soll stets eine vertrauenswürdige Person zugegen sein, und zwar solange, bis unser Patient alles zu sich genommen hat.“
Über diese Aussage bestürzt, wollte ich erfahren: „Wer ist in diesem Haus vertrauenswürdig? Sein Sohn? Sein Verwalter? Eine Frau darf ja nicht zu ihm vor, sonst würde ich das selbst übernehmen.“
„Wählt den Gutsverwalter. - Und jetzt muss ich mich
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