Hexenbrand
verunsichert gesehen, und das bei einer so mächtigen Person wie die Schattenhexe.
»Soll ich die Tür öffnen?«
»Nein, Jane, das mache ich. Stell dich nur darauf ein, blitzschnell reagieren zu müssen.«
»Ja, alles klar.«
Assunga legte eine Hand auf die Klinke. Danach öffnete sie die Tür behutsam, und sie war froh, dass sie nicht knarrte. Der Blick in den Flur war frei, und sie brauchte nur eine Sekunde, dann zuckte ihr Kopf wieder zurück.
»Was ist?«, fragte Jane.
»Er ist da.«
»Und weiter!«
»Aber auch deine Freundin Justine Cavallo …«
***
Die blonde Bestie hatte geahnt, dass sich im Haus etwas tat. Sie hatte in ihrem Zimmer gehockt und sich Gedanken darüber gemacht, wie es weitergehen sollte. Sie fühlte sich wieder gut.
Aber es roch nach Ärger oder Kampf. Sie hatte überlegt, was sie mit der Collins anstellen sollte. Natürlich ging es ihr in erster Linie um Blut, aber sie wollte die Detektivin auch im Unklaren lassen und sie so psychisch fertigmachen.
Im Moment aber hatte sie andere Sorgen. Etwas stimmte nicht. Etwas lief nicht so, wie es hätte laufen müssen. Irgendwo im Haus war etwas passiert. Sie empfing eine gewisse Botschaft, die sich in ihrem Kopf festsetzte. Justine wusste nicht genau, was es war, aber sie merkte schon, dass sie darauf reagieren musste.
Weg aus dem Zimmer.
Die Zeit des Versteckens war vorbei.
Sie musste eingreifen und sich dabei voll und ganz auf die Seite der Hexen stellen.
Mit einer wütend anmutenden Bewegung stand sie auf und ging zur Tür.
Dort blieb sie stehen und lauschte. Aus dem Flur hörte sie nichts, und so riss sie die Tür auf. Einen Lidschlag später hatte sie das Zimmer verlassen und sah sich ihm gegenüber.
Der Henker hatte es geschafft und die erste Etage erreicht. Im Moment gab es keinen Gegner mehr für ihn.
Jetzt schon.
Es war eine Gegnerin, die vor ihm stand. Selbst der einäugige Henker war überrascht, als er die Person sah. Damit hatte er nicht gerechnet.
Er schüttelte den Kopf, und das sah auch Justine Cavallo, die sofort nachfragte.
»Was willst du?«
»Dich töten!«
»Und warum?«
»Du bist eine Hexe. Ich habe es mir auf die Fahne geschrieben, dass ich Hexen vernichte. Das habe ich damals getan, das werde ich heute auch wieder tun. Einige sind bereits verbrannt, und jetzt bist du an der Reihe.«
»Als Hexe?«, höhnte sie. »Ich glaube, du irrst dich. Ich bin keine Hexe …«
»Was dann?«, schrie er.
»Da, schau her!«
Sie hatte den Satz noch nicht richtig ausgesprochen, da riss sie ihren Mund auf und präsentierte ihre Zähne, die nicht zu übersehen waren.
»Bin ich eine Hexe?«
Nein, das war sie nicht. Und der Henker wusste nicht, was er davon halten sollte. Er starrte in das Gesicht mit dem weit geöffneten Mund, er sah die beide Zähne und musste zugeben, dass er eine derartige Hexe noch nie gesehen hatte.
»Willst du mich noch immer töten?«
»Ja.«
»Und warum?«
»Du gehörst dazu. Du bist bei ihnen. Sie mögen dich, und du magst sie.«
»Ist das so schlimm?«
»Ich habe versprochen, hier aufzuräumen, und das Versprechen werde ich halten.« Er nickte ihr zu. »Und jetzt wirst du verbrennen!«, schrie er …
***
Unsere Gesichter verzerrten sich, als wir sahen, was hier geschehen war. Die Körper waren im Feuer verbrannt, und für uns stand fest, dass es der Henker gewesen sein musste. Er war hier im Haus, und wir fragten uns, wo er steckte.
Hier unten jedenfalls nicht.
Drei Tote fanden wir.
»Entweder ist er oben oder hier unten in einem der Zimmer«, flüsterte ich. »Er wird alle vernichten wollen.«
Suko widersprach mir nicht. Es kam jetzt darauf an, welchen Weg wir nahmen und ob wir das nötige Glück hatten. Die Treppe lockte schon. Wir stimmten uns ab und waren uns einig, sie zu gehen, als wir Stimmen hörten.
Die eine gehörte einem Mann, die andere einer Frau.
Und die Frauenstimme kannten wir.
»Das ist Justine«, flüsterte ich.
»Genau, John. Und der Mann?«
»Der Henker.«
Gab es eine andere Möglichkeit? Bestimmt nicht. Zudem unterhielten sich die beiden nicht eben wie Freunde. Da oben in der ersten Etage standen sich zwei Feinde gegenüber.
Suko schaute mich an. »Und?«
»Wir gehen.«
Ich warf noch einen letzten Blick auf die Treppe. Zögern wollte ich nicht. Zudem hörte ich die nächsten Worte wie heftige Schreie.
»Und jetzt wirst du verbrennen!«, schrie der Henker.
Das war der Augenblick, an dem uns nichts mehr hielt.
***
Jane Collins konnte kaum glauben,
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