Hexenkatze - Roman
nicht leisten können. Aber für mehr als Polier reichten seine Manieren nicht, denn als ich mich gerade aufrichtete, um loszulaufen, hörte ich seine raue Stimme: »Na, für diese Art der Fortbewegung sollten Sie doch langsam zu alt sein!«
Leider, und das muss ich zugeben, verlor ich prompt den Halt und fiel rückwärts auf mein Hinterteil. Das tat zwar nicht besonders weh, war aber in vielerlei Hinsicht demütigend. Ich rappelte mich auf und konnte sehen, wie Alexander Harburg in seinen Wagen stieg. Ich sandte ihm einen zornentbrannten Blick zu. Er startete, fuhr an, und mit einem leichten Scheppern fiel das Auspuffrohr auf die Straße. Ein sattes Dröhnen erklang.
Die ersten hundert Meter waren lästig, Verbundsteinpflaster ist für die Skates nicht der optimale Untergrund. Aber dannging die Straße in glatten Asphalt über, und ich kam auf Geschwindigkeit. Vergessen war mein Zorn. Ich liebe einfach diese gleitende Bewegung, es ist beschwingend, wenn man so durch den Verkehr rauscht.
Auf dem Parkplatz standen schon ein paar Autos, die mir bekannt vorkamen. Prima, dann war der erste Kurs heute Morgen wenigstens gut besucht. Neun Uhr ist für manche der Damen einen Hauch zu früh. Aber um zehn jammern sie auch schon wieder, weil sie die Kinder abholen und Essen kochen müssen.
»Hallo, Jeany!«
»Hi, Deba! Vier bis jetzt.«
»Gut. Stell mir schon mal ein großes Glas Wasser hin.«
»Klar!«
Ich zerrte mir die Skates von den Füßen und stapfte in die Umkleide. Hier traf ich auf Agnes, die sich gerade die Schuhe band.
»Agnes! Genau die Frau, die ich heute brauche.«
»Na, so was? Aber ich war eine Woche wandern, das war mal nötig. Wie kommt es, dass du mich brauchst?«
»Du kennst dich doch mit Katzen aus, nicht?«
Agnes hatte sich einen Mini-Bauernhof auf einem Grundstück mit einem alten Fachwerkhaus geschaffen und nahm alle naselang irgendwelche Tiere zur Betreuung auf. Letzthin waren es zwei Gänse, die mir unsympathisch waren. Ihre Hunde hingegen, ein Riesenschnauzer mit Namen Schnäuzelchenund eine riesige Dogge, unendlich passend Mäuschen gerufen, sind bezaubernd. Beide verstehen sich blendend mit den diversen Katzen, die – bis auf drei oder vier ständige Hoftiger – bei ihr auf Durchgangsstation sind.
»Nach dem Training habe ich ein bisschen Zeit, dann können wir dein Problem lösen.«
»Super!«
Auf Agnes konnte man sich verlassen.
Die zwei Stunden in dem verspiegelten Raum verliefen vergnügt und schweißtreibend, anschließend ließ ich mich mit meinem Glas Wasser zusammen mit Agnes, wir beide in dicke Handtücher gehüllt, in die Sitzecke fallen, die »de Ärisch«, Erich bürgerlich und Maître dieses Etablissements, auf unser Betreiben hin eingerichtet hat.
Die fachliche Beratung war kurz und kompetent, und ich musste Micki mal wieder Abbitte leisten.
»Überlass das Aufziehen der Katzenmutter. Erst wenn die verschwindet, hast du ein Problem. Dann rufst du mich einfach an.«
So ist Agnes.
»Wie kommst du so mit deinem neuen Heim zurecht. Schon alles an seinem Platz?«
»Das war ziemlich schnell gelöst. Wir sind ja mit kleinem Gepäck gereist.«
»Du bist ja auch sehr energisch. Ich habe nicht den Eindruck, dass sich in deinem Keller viele Erinnerungsstückeanhäufen. So wie bei mir. Allmächtige, wenn ich noch einmal umziehen müsste!«
»Na ja, es gab schon ein paar Sachen. Aber ich habe mit der Vergangenheit auch viele Dingen ausgemistet. Bis auf einige Stücke mit gefühlsmäßigem Wert ist nichts geblieben. Und Micki hat es genauso gemacht. Aber trotzdem …«
Ich trank einen großen Schluck Wasser, um den Flüssigkeitsverlust des Trainings wieder auszugleichen.
»Hört sich so an, als ob doch nicht alles so ganz eitel Sonnenschein wäre?«
Ich zögerte einen Moment. Warum sollte ich Agnes mit meinen Schwierigkeiten im Nachbarschaftsverhältnis belästigen?
Andererseits – warum nicht?
»Tja, ich habe wohl etwas meine Sozialisationsfähigkeit überschätzt.«
»Huch, was für ein Wort! Willst du damit sagen, dass du Ärger mit den Nachbarn hast?«
»Singular. Dem Nachbarn.«
»Ah. Guckt er dir ins Schlafzimmerfenster?«
»Was?« Und dann stellte ich mir das bildlich vor und musste laut lachen. »Eher weniger. Unsere Beziehung ist eine deutlich andere. Außerdem ist der Typ zu alt dafür.«
»Dazu sind die nie zu alt«, kicherte Agnes, die es wissen musste, denn sie ist bereits vierundfünfzig und ihr Mann noch ein Stück älter. Na gut, ich
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