Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
dass ich das Wort an Euch richte."
Nicht weit von ihm stand der hübsche Homosexuelle von gestern, und da er so schüchtern wirkte, erwiderte Lukas seinen Gruß.
Darauf erklärte ihm der Jüngling in seiner süßlichen Sprechweise: "Ich habe Euch eben im Dom bemerkt. Ihr hättet ihn nicht verlassen müssen, die Signori darin sind Architekten, sie würden sich an Euch nicht stören. Geht also getrost wieder hinein."
"No, lieber ein andermal. Wie lang haben die Architekten denn noch zu tun darin?"
"Heute wahrscheinlich bis zum Mittag, ich weiß das, weil mein Herr auch zu ihnen zählt. Er ist von den vier Architekten darin der größte Könner, weshalb wohl er den Bauauftrag erhält."
"Welchen Bauauftrag denn?", forschte Lukas, worauf sich der Hübsche einen Schritt näher zu ihm wagte, aber dennoch einen gebührenden Abstand einhielt, als er antwortete:
"Das könnt Ihr ja nicht wissen, Don, Ihr seid nicht von hier - aus Tirol? Hört man an Eurem Akzent. Si, Maestro Bramante befürchtet, die Domkuppel könne einstürzen, weshalb sie baldigst von einer stabileren ersetzt werden soll."
"Dein Herr ist der berühmte Donato Bramante?"
"No, oh, no, Don", widersprach der Jüngling, wobei er einen weiteren Schritt näher trat. "Mein Maestro ist bedeutend jünger als er, höchstens dreißig. Trotzdem ist er ein begnadeter Baumeister."
Lukas amüsierte seine Schwärmerei, und wie ihm der Jüngling das anmerkte, drehte er gekränkt den Kopf mit dem langen braunen Wellenhaar zur Seite. Darüber erschrak Lukas, nein, kränken hatte er diesen sensiblen Burschen nicht wollen. Deshalb trat er zu ihm und bat um Entschuldigung. - Keine Antwort. Darauf stieß er ihn mit der Schulter an:
"Ich habe mich entschuldigt, das muss reichen. Im Übrigen musst du mich nicht mit Don anreden, nur weil ich gestern meinen Adelsanzug getragen habe, für dich bin ich Lukas. Und wie heißt du?"
"Carlo Alberti", brachte er zaghaft über die Lippen, "ich komme aus Verona."
"Ich stamme aus Südtirol, und ich will ausgebildeter, no, hier sagt man ja eingetragener Künstler werden."
Damit hatte er bei Carlo ins Schwarze getroffen. "Das werde auch ich", ereiferte er sich. "Ich bin gelernter Steinmetz, und mein Maestro bildet mich jetzt zum Bildhauer, Architekt und Kunstmaler aus. Er kann nämlich auch malen, er kann wunderschön malen."
Diesmal unterdrückte Lukas erfolgreich ein Grinsen, und Carlo forderte ihn auf: "Komm, Lukas, ich führe dir unsere Bottega, unsere Kunstwerkstatt, vor. Sie liegt neben dem Sforzapalast, am Rande des Schlossgeländes. Brauchst dich nicht zu genieren, wir empfangen öfter Besucher. Kommst du?"
Lukas war überrumpelt, ihm blieb nichts anders, als zuzustimmen.
Während er dann hinter Carlo her durch die belebten Gassen ritt, hatte er Gelegenheit, ihn eingehender zu betrachten. Hoch zu Ross bot Carlo mit seiner Recken haften Statur ein stolzes Bild - ein klassischer Norditaliener. Wenn er sich nur nicht so affig zurechtmachte, seine bunte Kleidung, vor allem dieser rosarote Gürtel verliehen ihm etwas Weibisches. Aber das war wohl Absicht, er wollte ja weibisch wirken. Jetzt begriff Lukas - der Junge war in seinen Maestro verliebt, ja, daher diese Lobhudelei.
Nachdem sie schließlich auf eine Platanenallee, die Viale Fines, gelangt waren und nebeneinander her ritten, fragte Carlo ihn: "Der nette Schwarzhaarige gestern, ist das dein Bruder?"
"No, mein Onkel."
"Oh!", erschrak Carlo und versuchte dann in noch süßlicherem Ton, seine vermeintliche Beleidigung gut zu machen: "Ich dachte das nur, weil ihr euch so ähnlich seht. Aber du siehst natürlich bedeutend jünger aus, ehrlich. Wie alt bist du?"
"Ich? Si, achtzehn. Ich bin gestern achtzehn geworden."
Darüber lächelte Carlo erfreut: "Dann bist du exakt zwei Monde älter als ich, ich werde im Brachet achtzehn. Nach dem kirchlich-amtlichen Kalender hast du also am zweiten Mai Geburtstag und ich bin am 2. 7. 72 geboren, witziges Datum, nicht? - Wir sind da, Lukas, dieser Palazzo hier."
"Mei, aber auch", staunte Lukas und hielt Oskar an.
Die Villa, vor der sie standen, war doppelt so lang wie die üblichen, weiß getüncht, und im Vorgarten lachte die Passanten üppiger Oleander an. Carlo erklärte ihm, die beiden Ateliers nähmen so viel Platz ein und forderte ihn auf: "Komm, der Vordereingang ist dem Maestro und seinen persönlichen Besuchern vorbehalten, wir müssen den Seiteneingang benutzen, direkt dahinter liegt das Malatelier."
Sie ritten an der lang gestreckten Villa vorbei
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