Hexenopfer
langer Zeit hatte Jazzy einmal davon geträumt, Jamie zu heiraten und in dem großen weißen Haus zu wohnen, mit Dienern für jeden Handgriff. Ihr Leben lang hatte sie mehr gewollt, hatte mehr als vier Wände und ein Dach gebraucht. Ein Teil ihrer selbst sehnte sich danach, eine Lady zu sein, und das bedeutete für sie, viel Geld zu haben.
Jazzy schluckte die Gefühle, die sich in ihrer Kehle festgesetzt hatten, lachte laut auf, ließ den Motor aufheulen und raste über die Kreuzung. Vielleicht würde Jamie diesmal nicht bei ihr vorbeischauen. Aber wenn, dann würde sie vielleicht endlich die Kraft aufbringen, ihn abzuweisen.
Jacob Butler zog den Reißverschluss seiner braunen Lederjacke zu, setzte den braunen Stetson auf und verließ sein Büro. Um sieben Uhr morgens hatte er ein Sandwich mit Rührei verschlungen, als er auf dem Weg nach Scotsman’s Bluff gewesen war, und seitdem nichts mehr gegessen. Es war ein langer, anstrengender Tag gewesen. Jetzt stand er vor seinem ersten Mordfall seit seiner Wahl zum Sheriff.
Deputy Bobby Joe Harte sprach ihn an, als Jacob an dessen Schreibtisch vorbeiging. »Dieser Typ vom FBI hat angerufen. Ich soll Ihnen sagen, er sei in Knoxville und habe einen Wagen gemietet. Er macht sich hierher auf den Weg und will heute Abend noch mit dir sprechen.«
»Haben Sie ihm gesagt, dass es heute Abend Schnee gibt?«, fragte Jacob.
»Nein, Sir. Ich gehe davon aus, dass er nach dem Wetter gesehen hat.«
»Mir ist egal, was die Wetterfrösche vorhersagen. Genny hat für heute Abend heftige Schneefälle angekündigt.«
»Komisch, dass sie in solchen Dingen immer recht hat.« Bobby Joe grinste.
»Hören Sie, wenn dieser Sloan aufkreuzt, bevor ich zurückkomme, sagen Sie ihm, dass ich drüben im Jasmine’s bin und zu Abend esse.«
»Nur aus Neugier, Jacob, aber wieso interessiert sich das FBI für einen hiesigen Mordfall?«
»Das FBI hat kein Interesse daran«, erwiderte Jacob. »Das ist etwas Persönliches, was mit Sloan zu tun hat. Er hatte eine Nichte, die genauso umgebracht wurde wie Susie Richards – geschlachtet wie ein Opferlamm.«
»O Mann, das wird hart.«
Jacob verließ das Sheriff’s Department, das im Erdgeschoss auf der Südseite des Justizgebäudes von Cherokee County untergebracht war, schloss die Tür hinter sich und trat hinaus auf die Straße. Ein kühler Abendwind pfiff um ihn und wirbelte kleine, frisch gefallene Schneeflocken vom Bürgersteig auf. Als Jacob in den dunklen Himmel schaute, sah er Schnee, der im Schein der Straßenlaterne herabtanzte.
Auf dem Weg über die Main dachte er an das junge Mädchen, das am frühen Morgen den Händen eines Ungeheuers zum Opfer gefallen war. Pete Holt, der Coroner und Besitzer des Beerdigungsinstituts Holt hatte gesagt, sie sei wahrscheinlich nicht länger als zwei Stunden tot gewesen, als er sie am Tatort untersucht hatte. Jacob und Pete hatten sich die größte Mühe gegeben, der richtigen Vorgehensweise zu folgen, alle Beweise zu sammeln und nichts auszulassen. Er hatte Roddy Watson angerufen und um Rat gefragt. Roddy war seit fünfzehn Jahren Polizeichef von Cherokee Pointe, und was ihm an Verstand fehlte, glich er teilweise durch Erfahrung aus. Roddy hatte Jacob gesagt, bei so einem Fall müssten sie alle Beweise nach Knoxville zum dortigen Kriminallabor schicken.
Jacob bog um die Ecke in die Florence Avenue und steuerte Jasmine’s an, das beste Restaurant in der Stadt. Als er vor dem vorderen Eingang des renovierten, zweistöckigen Gebäudes stehen blieb, hatte er das Gefühl, verfolgt zu werden. Er warf einen Blick über die Schulter, sah jedoch niemanden, aber er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass ihn jemand beobachtete.
Verdammt, Butler, reiß dich zusammen. Nur weil in deinem Bezirk ein grauenvoller Mord passiert ist, müssen noch lange keine Buhmänner im Schatten lauern.
Er stand auf der anderen Straßenseite und beobachtete den Sheriff beim Betreten des Restaurants.
Jacob Butler. Mit überwältigender Mehrheit gewählt. Ein Junge aus dem Ort, der es zu etwas gebracht hatte. Jacob hatte Cherokee Pointe mit achtzehn Jahren verlassen und war zur Marine gegangen. Der große Kerl – er war an die zwei Meter groß und musste mindestens hundertzwanzig Kilo auf die Waage bringen – war ein SEAL geworden, Angehöriger einer Spezialeinheit für Einsätze zu Wasser, in der Luft oder an Land, war für Tapferkeit ausgezeichnet und bei seinem letzten Einsatz so schwer verwundet worden, dass er seine
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