Hexenschuss: Tannenbergs dreizehnter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
atmete schwer.
»In solch einer exponierten beruflichen Position macht man sich sicherlich nicht nur Freunde, könnte ich mir vorstellen«, versuchte der junge Kommissar das Gespräch wieder in Gang zu bringen. »Da geht es schließlich um Einstellungen, Karrierechancen, möglicherweise auch um Sanktionen bis hin zu Entlassungen. Hatte Ihr Mann Feinde?«
Im Zeitlupentempo wiegte Elke Wettigmeier-Basler den Kopf hin und her. »Nein, darüber weiß ich nichts, Herr Kommissar. Norbert hat zu Hause nie über seine Arbeit gesprochen.«
»Nie?«
Das Kopfschütteln der Witwe wurde energischer. »Nein, nie«, betonte sie. »Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass jemand solch einen Groll auf ihn hat, dass er ihn …« Sie stockte, trank einen Schluck Wasser und räusperte sich.
Michael Schauß schenkte sich Wasser nach. Anschließend machte er sich einige Notizen in seinem kleinen Büchlein, das er immer bei sich trug.
»Norbert war so ein ruhiger, höflicher und friedlicher Mensch«, fuhr Elke Wettigmeier-Basler nach einer Pause fort. »Er konnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Er war beliebt und er wurde von allen geachtet. Vor allem auch wegen seiner sozialen Ader. Er hat sich bei der ›Tafel‹ engagiert und war im Vorstand von ›Arm-alt-allein‹.«
Aber irgendjemand muss ihn gehasst haben, dachte der junge Kommissar, während er eine Schmeißfliege beobachtete, die sich gerade auf dem Vorhang vor dem Küchenfenster niedergelassen hatte. Und zwar so sehr, dass er ihn erschossen hat. Bin sehr gespannt, welches Motiv hinter diesem heimtückischen Attentat steckt. Vielleicht Rache? Mit verstohlenem Blick musterte er die Ehefrau des Toten. Oder vielleicht Eifersucht?
Aus Erfahrung wusste er nur zur gut, dass die direkten Angehörigen von Mordopfern häufig dazu neigten, den Verstobenen posthum zu glorifizieren. Nicht selten förderten die Erkundigungen im nichtfamiliären Umfeld des Toten ein völlig anderes Bild des Mordopfers zu Tage, als es die nahen Verwandten gern zeichneten. Die Verherrlichung des Opfers geschah meist aus purem Eigeninteresse, denn dadurch versuchte die Verwandtschaft von vornherein jeglichen Tatverdacht von sich fernzuhalten. Motto: netter Kerl, kein Groll, kein Motiv – so einfach war das.
Der Kriminalbeamte befeuchtete seine Lippen mit der Zungenspitze. »Haben Sie eigentlich Kinder?«, wollte er wissen.
Elke Wettigmeier-Baslers Blick wanderte langsam an Schauß’ Lederjacke empor, bis sie und der gutaussehende Kommissar sich direkt in die Augen sahen. »Nein, leider nicht«, antwortete sie, während sie sich seufzend abwandte und über seine Schulter hinweg zum Kühlschrank schaute. Sie schluckte so hart, als steckte ihr etwas Sperriges in der Kehle. »Ein gemeinsames Kind ist uns leider versagt geblieben. Obwohl wir wirklich alles versucht haben.«
»So, das reicht erst mal«, sagte Michael Schauß und erhob sich von seinem Stuhl. »Ich lasse Sie jetzt in Ruhe. Falls noch Fragen auftauchen sollten, rufe ich Sie an oder komme noch mal kurz bei Ihnen vorbei.« Er schob das Notizbuch in die Innentasche seiner Jacke und fragte in sanftem Ton: »Haben Sie eigentlich jemanden, der Ihnen in den nächsten Tagen ein wenig zur Seite stehen kann?«
Die Witwe sackte noch mehr in sich zusammen. Ihr Nicken wurde von pfeifenden Atemzügen begleitet. »Ich fahre nachher zu einer guten Freundin. Bei ihr werde ich auch übernachten.«
»Das ist eine sehr gute Idee«, lobte Schauß.
Elke Wettigmeier-Baslers Kinnpartie zitterte. Um die Tränen zu unterdrücken, legte sie ihre Fingerkuppen auf die Schläfen und massierte sie. Ein kurzer Blick in Richtung des Wohnzimmers und ein erneuter Stoßseufzer. »Ich weiß nicht, ob ich weiter in unserem Haus leben kann. Jetzt, nachdem …«
»Machen Sie sich jetzt darüber keine unnötigen Gedanken. Diese Frage wird sich nach einiger Zeit wahrscheinlich von selbst beantworten.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich bin mir sicher, dass Sie die richtige Entscheidung treffen werden, wenn Sie dieses schreckliche Ereignis ein wenig verarbeitet haben.«
Die Witwe legte den Kopf in den Nacken und stöhnte laut auf. »Oh, diese Kopfschmerzen machen mich noch wahnsinnig«, jammerte sie. Mit ihrer rechten Hand wies sie auf einen der Hängeschränke der Einbauküche. »Könnten Sie mir bitte zwei Schmerztabletten geben?«
»Natürlich«, entgegnete Schauß und öffnete die Schranktür, hinter der sich ein wahres Arsenal von Medikamentenpackungen verbarg.
»Die
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