Hexenstunde
paar solcher Patienten gehört, Infarkt-Opfern, wenn er sich recht erinnerte, die zurück gekommen waren und von denen einer behauptet hatte, er habe die Zukunft gesehen.
»Ja«, hatte Lightner gesagt. »Die beste Forschung zu diesem Thema kommt von Ärzten – von Kardiologen.«
»Gab es da nicht vor ein paar Jahren auch einen Film?« hatte der Doktor gefragt. »Über eine Frau, die wieder ins Leben z u rück gerufen wurde und von da an über unerklärliche Heilkrä f te verfügte? Ein sehr anrührender Film.«
»Sie sehen das Thema unvoreingenommen«, hatte der En g länder mit erfreutem Lächeln festgestellt. »Sind Sie sicher, daß Sie mir nichts von Ihrem Geist erzählen wollen? Ich würde so gern davon hören. Ich fliege erst morgen vormittag ab. Ich würde wirklich viel dafür geben, Ihre Geschichte zu hören!«
Nein, nicht diese Geschichte. Niemals.
Allein in seinem dunklen Hotelzimmer voll düsterer Schatten fühlte der Doktor jetzt wieder die alte Angst. Die Uhr tickte von neuem in den langen, staubigen Korridoren in New Orleans. Er hörte abermals die schlurfenden Schritte seiner Patientin, als die Schwester mit ihr auf und ab ging. Er roch wieder den Geruch des Hauses in New Orleans, den Geruch von So m mer, Hitze und altem Holz. Der Mann redete mit ihm…
Bis zu diesem Frühling in New Orleans war der Doktor noch nie in einer Villa aus den Zeiten vor dem Bürgerkrieg gew e sen. Und das alte Haus hatte wirklich weiße, kanellierte Sä u len an der Vorderseite, wenngleich ihre Farbe abblätterte. »Greek Revival« nannte man diesen Stil – er war ein langg e strecktes, grau-violettes Stadthaus in einer dunklen, schattigen Ecke des Garden District, das Haupttor bewacht, wie es schien, von zwei mächtigen Eichen. Der schmiedeeiserne Zaun war zu einem Rosenmuster geformt und von Ranken wie von Girlanden behangen – von purpurnen Glyzinien, gelbblät t rigem wilden Wein und Bougainvilleen von dunkelglühendem Rosarot.
Gern blieb er auf den Marmorstufen stehen und schaute hi n auf zu den dorischen Kapitellen, die umkränzt waren von di e sen trunken duftenden Blüten. Das Sonnenlicht drang in dünnen, staubigen Strahlen durch das verschlungene Geäst. Bienen summten im Gewirr leuchtendgrünen Laubwerks unter blätterndem Gesims. Es machte nichts, daß es hier so düster war, so feucht.
Aber der Verfall beunruhigte ihn gleichwohl. Spinnen webten ihre verzwickten kleinen Netze über die schmiedeeisernen Rosen. An manchen Stellen war das Eisen so verrostet, daß es bei einer Berührung zu Staub zerfiel. Und hier und da war das Holz der Veranda am Geländer durch und durch verrottet.
Dann war da das alte Schwimmbecken ganz hinten, jenseits des Gartens – ein großes, langgestrecktes Achteck, von Steinplatten umsäumt und selbst zu einem Sumpf geworden, mit schwarzem Wasser und wilder Iris. Schon der Geruch war furchtbar. Frösche lebten hier, Frösche, die man in der Dä m merung hörte, wenn sie ihr quälendes, häßliches Lied sangen. Es war traurig, zu sehen, wie die kleinen Springbrunnen oben und unten an der Seite noch immer ihre kleinen, gebogenen Wasserstrahlen in den Modder spritzten. Wie gern hätte er alles abgelassen, gereinigt, die Wände eigenhändig abgeschrubbt, wenn es hätte sein müssen. Er sehnte sich d a nach, die zerbrochene Balustrade zu reparieren und das Unkraut aus den überwucherten Pflanzkübeln zu reißen.
Selbst die ältlichen Tanten seiner Patientin – Miss Carl, Miss Millie und Miss Nancy – verbreiteten eine Atmosphäre von Muffigkeit und Verfall. Das lag nicht am grauen Haar oder an den stählernen Brillengestellen. Es war ihre Haltung und der Duft von Kampfer, der in ihren Kleidern hing.
Einmal war er in die Bibliothek spaziert und hatte ein Buch aus dem Regal genommen. Winzige schwarze Käfer waren aus der Lücke hervorgekrabbelt. Erschrocken hatte er das Buch zurückgestellt.
Wenn das Haus eine Klimaanlage gehabt hätte, wäre die S a che vielleicht anders gewesen; aber dazu war es zu groß – das hatten sie damals wenigstens gesagt. Die Decken waren schwindelerregende viereinhalb Meter hoch. Und im trägen Luftzug schwebte Schimmelgeruch.
Für seine Patientin indessen wurde gut gesorgt; das mußte er zugeben. Eine reizende, alte schwarze Krankenschwester brachte sie morgens auf die vergitterte Veranda hinaus und trug sie abends wieder ins Haus.
»Sie macht überhaupt keine Mühe, Doktor. Jetzt kommen Sie, Miss Deirdre, gehen Sie für den Doktor.« Und
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