Hexer-Edition 01: Die Spur des Hexers
wuchtig auf den Boden. Ein betäubender Schmerz explodierte zwischen Quentons Schläfen. Für einen Moment war er blind.
Als er wieder sehen konnte, schwebten die Zinken der Gabel nurmehr einen Fingerbreit vor seinen Augen, Stahlzähne, die ihn blenden würden.
Und plötzlich hatte er keine Angst mehr.
»Tu es nicht«, sagte Quenton ruhig.
Der Mann blinzelte überrascht. Die Forke in seiner Hand zitterte, und in seinem Blick machte sich ein fragender, beinahe überraschter Ausdruck breit. Aber die Gabel senkte sich nicht weiter.
»Tu es nicht«, sagte Quenton noch einmal. »Ich erlaube es nicht.«
»Worauf wartest du?«, fauchte Fred ungeduldig. »Ich kann den Kerl nicht ewig halten!«
Quentons Blick bohrte sich in den des anderen. Die Augen des Mannes waren starr, als hätte etwas das Leben darin zum Erlöschen gebracht, aber für einen unendlich kurzen Moment glaubte Quenton trotzdem die abgrundtiefe Furcht darin zu erkennen, als er begriff, dass er nicht mehr Herr seines eigenen Willens war. Dann erlosch auch dieser letzte Funke, und was zurückblieb, war nicht mehr als eine leere Hülle, die seinen Befehlen widerstandslos gehorchte.
»Töte ihn!«, sagte Quenton ruhig.
Der Mann, der ihn fest hielt, schrie auf, aber seine Reaktion kam zu spät. Ein grässlicher Ruck ging durch seinen Körper. Für einen Moment ragten die Zinken der Mistgabel wie blutige Fangzähne aus seinem Hals. Er keuchte, kippte zur Seite erstickte an seinem eigenen Blut.
»Und jetzt du«, sagte Quenton ruhig.
Der Mann starrte ihn aus hervorquellenden Augen an. Sein Mund öffnete sich, aber nicht der geringste Laut kam über seine Lippen. Mit Bewegungen, die eher denen einer Puppe als denen eines lebenden Menschen glichen, trat er zurück, stemmte das Ende der Mistgabel in den Boden und warf sich mit aller Macht in die handlangen Zinken. Einen Moment lang stand er in grotesker Haltung so da, mit pendelnden Armen, die Augen groß und noch voller Leben und allmählich aufkeimendem Schmerz, wie ein Mann, der seine Arbeit unterbrochen und sich einen Moment auf sein Werkzeug gestützt hatte, um auszuruhen. Dann kippte er zur Seite und brach über seinem toten Kameraden zusammen.
Quenton arbeitete sich stöhnend hoch. Zwei seiner Rippen waren gebrochen und schmerzten fürchterlich; vor seinen Augen tanzten blutgefärbte Schleier. Mühsam stemmte er sich auf Hände und Knie hoch und kroch ein Stück zur Seite. Die beiden waren die einzigen Angreifer gewesen, die den Weg zum Heuboden hinauf gefunden hatten, aber die Scheune unter ihm war erfüllt von einer tobenden Menge, die nicht eher ruhen würde, bis auch die letzte Spur von Leben aus dieser Stadt getilgt war.
Quenton ballte in ohnmächtigem Zorn die Fäuste. Der Mob hatte nur Minuten gebraucht, das Tor einzuschlagen und die wenigen Verteidiger niederzumachen, die sich ihm todesmutig in den Weg gestellt hatten. Quenton blieben nur noch Augenblicke.
Unter ihm durchbrach ein neuer, gellender Schrei den Lärm. Quenton beugte sich vor und sah, wie vier Männer ein Mädchen aus dem Haus zerrten und ihr die Kleider vom Leib zu reißen begannen. Ein Gefühl heißen, hilflosen Zornes stieg in ihm hoch. Er kannte das Mädchen. In einem Dorf von fünfzig Seelen kannte jeder jeden.
Sein Blick suchte das winzige, strohgedeckte Gebäude am anderen Ende der Straße. Es stand noch. Die Läden waren vorgelegt, und trotz der schweren Rauchwolken, die wie eine erstickende Decke über dem Dorf lagen, konnte er erkennen, dass es unbeschädigt war.
Natürlich; dachte er hasserfüllt. Die drei anderen würden dafür sorgen, dass der Mob sie erst ganz am Schluss entdeckte. Es würde sie nicht retten. Der Mob war viel zu aufgepeitscht, als dass er noch geistig zu beeinflussen gewesen wäre, nicht einmal von drei Meistern der Macht zugleich. Aber sie hatten die anderen geopfert, um für sich noch einmal wenige zusätzliche Minuten Leben herauszuschinden.
Ein Geräusch hinter seinem Rücken ließ ihn herumfahren. Das Ende der Leiter, die zum Heuboden hinaufführte, hatte zu zittern begonnen. Jemand kam.
Quenton richtete sich auf. Sein Blick saugte sich am Ende der Leiter fest. Plötzlich spürte er die gebrochenen Rippen nicht mehr. Selbst seine Furcht war erloschen.
Die Leiter begann zu zittern. Langsam, als würde sie von unsichtbaren Händen geschoben, löste sie sich von ihrem Halt, stand einen Moment lang in schlichtweg unmöglicher Schräglage und gegen alle Naturgesetze frei in der Luft und kippte
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