Miss Meermaid steht zur Wahl
1
Kann sein, daß sich die meisten
Herren an ihre Sekretärinnen gewöhnen, wenn sie sie dauernd im Büro um sich
herumsehen. Mir geht es anders. Jeden Tag, an dem ich Fran Jordan von neuem vor
mir sehe, passiert die gleiche alte Geschichte. Es versetzt mir einen Schlag.
Fran ist ein Rotschopf mit
graugrünen Augen, die kühl und manchmal berechnend sind, weil sie versucht,
damit die reife, sinnliche Fülle ihrer Lippen etwas auszugleichen. Sie hat die
Art Figur, die die Modezeitschriften fast an den Rand des Ruins brachte, als
sie versuchten, sie als unmodern hinzustellen. Sie hat die Form einer Sanduhr
mit einem hohen, vollen Busen, einer schlanken Taille und vollen, runden
Hüften, die mich leicht schwindlig werden lassen und mich in diesem Zustand
erhalten. An diesem Morgen trug sie einen weißen Pullover zu einem schwarzen,
engen Rock, und schon bei ihrem Anblick spürte ich, wie mein Sand verrann.
»Danny Boyd«, sagte sie
vorwurfsvoll, »wirst du jetzt aufhören, mich anzustieren, und anfangen, mir
zuzuhören?«
»Ich höre ja zu«, antwortete
ich mit belegter Stimme. »Wenn ich aber mal aufhöre zu stieren, dann ruf einen
Arzt, dann bin ich krank.«
»Abends«, erwiderte sie im
düsteren Ton, »ziehe ich mich im Dunkeln aus. Wenn ich das Licht brennen lasse,
habe ich immer das Gefühl, du beobachtest mich. Dein Blick hat etwas von
Röntgenstrahlen an sich.«
»Dazu habe ich Jahre
gebraucht«, erklärte ich. »Genauso wie für das vollkommene Profil. Ich habe die
Gabe erworben, das Unwesentliche zu übersehen. Bei einem hübschen Mädchen
bemerke ich die Kleider einfach nicht mehr.«
»Ich kann mir heute schon
vorstellen, wie du in zehn Jahren bist«, sagte sie kühl. »Dann bist du
kahlköpfig, fett und kneifst Mädchen im Fahrstuhl.«
»Kennst du die beste Stelle im
Fahrstuhl, um Mädchen zu kneifen?« fragte ich.
»Du könntest gelegentlich
versuchen, dich zu benehmen«, antwortete sie abweisend.
»Zwischen den Etagen«, erklärte
ich ihr fröhlich. »Wollen wir nicht schnell mal fahrstuhlfahren, dann werde
ich’s dir vormachen. Du trägst doch heute keinen Hüfthalter.«
»Ich trage nie einen«,
erwiderte sie spitz. »Wirst du jetzt auf hören zu stieren und zuhören?«
»Na schön«, fügte ich mich.
»Aber warum mußt du jeden Flirt immer mit geschäftlichen Dingen verderben?«
Fran atmete tief ein und tat
dabei das gleiche für ihren Pullover, was Henry Ford für das Auto getan hatte.
»Wir haben einen neuen
Klienten«, sagte sie. »Du erinnerst dich doch, daß wir einen neuen Klienten
brauchen? Das ist in ganzen drei Wochen der erste, seit du von Honolulu
zurückgekommen bist.«
»Ich habe in Hawaii angestrengt
gearbeitet«, protestierte ich. »Ich brauchte eine Erholung.«
»Ich weiß, daß du heiß
gearbeitet hast, Danny«, sagte sie zuckersüß, »nur schade, daß du damit kein
Geld verdient hast und deine Unkosten selbst bezahlen mußtest. Die Geschichte
hat uns nur zweitausend Dollar gekostet.«
»Schon gut«, wehrte ich ab,
»was ist also mit dem neuen Klienten?«
»Es ist die Meermaid Badeanzug
Corporation«, erklärte sie in ehrfürchtigem Ton.
»Von denen habe ich noch nie
was gehört.«
»Nie? Ist dir denn nicht
bekannt, daß fünfzig Prozent aller Mädchen an den Stränden von Florida bis Long
Island in diesem Sommer Meermaid-Badeanzüge tragen werden?«
»Moment mal, das will ich genau
wissen«, sagte ich interessiert. »Heißt das, nur fünfzig Prozent aller Mädchen
am Strand werden Badeanzüge tragen, oder daß alle Mädchen nur fünfzig Prozent
eines Badeanzuges tragen werden? Und wenn ja, welche Hälfte?«
Fran schauderte. »Warum gehst
du nicht nach Hause und kommst nach dem Essen wieder? Wir können dann von vorn
anfangen. Ich ertrage es nicht, wenn du geistreich wirst. Dann bist du
unerträglicher als ein Steuereinzieher.«
»Ich werde dich jetzt also
ernst nehmen, wie der junge Ehemann auf seiner Hochzeitsreise sagte«,
entschuldigte ich mich.
»Sie veranstalten den Schluß
Wettbewerb der Miss-Meermaid-Schönheitskonkurrenz in Florida«, erklärte Fran.
»Der Wettbewerb beginnt Anfang nächster Woche in Miami, und du sollst einer der
Schiedsrichter sein.«
»Schneit es draußen noch?«
fragte ich vorsichtig.
Sie blickte aus dem Fenster und
nickte. »Es schneit noch. Im Januar nichts Ungewöhnliches für New York, oder
doch?«
»Wir haben also nicht den
ersten April«, sagte ich. »Ich halte es trotzdem für einen Witz.«
»Es ist kein Witz«,
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