Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
infernalischen Gebrüll und das Boot erbebte wie unter einem gewaltigen Hammerschlag. Selbst hier drinnen war das Schreien der Menge fast unerträglich.
Hustend stemmte ich mich auf die Füße, schlug mit den Händen nach den Funken, die sich in meinen Kleidern festgesetzt hatten, und wich vor der prasselnden Feuerwand zurück. Die Hitze war unerträglich und die Luft war schon jetzt, nach wenigen Augenblicken, so sehr von Rauch und beißendem Gestank erfüllt, dass das Atmen fast unmöglich wurde. Rowlf fuhr mit einem Schrei herum, riss einen Stuhl vom Boden hoch und schlug eines der Bullaugen ein, aber die Wirkung war gleich Null.
»Rowlf!«, schrie Howard. »Nach vorne! Der Laderaum!« Er deutete heftig gestikulierend auf die Vorderwand der Kajüte. Ich wusste, dass sich dahinter der kleine Heckladeraum des Schiffchens befand, ein knapp fünf Schritte messender Verschlag, von dem aus der Weg durch eine Klappe nach oben führte – aber zwischen uns und ihm befand sich eine massive Wand aus zollstarkem Holz.
Rowlf knurrte, wich ein paar Schritte zurück und senkte die Schultern. Ich erkannte ihn kaum hinter den schwarzgrauen, brodelnden Rauchwolken, die die Kabine erfüllten. Meine Lungen brannten unerträglich. Wir würden ersticken, lange ehe uns die Flammen erreichten.
Rowlf rannte los. Sein Körper schien sich in eine lebende Kanonenkugel zu verwandeln. Im letzten Moment drehte er sich halb herum, prallte mit unglaublicher Wucht gegen die Wand und torkelte mit einem Schmerzensschrei zurück.
Aber in der Wand war ein fingerbreiter, gezackter Riss erschienen!
Howard, Rowlf und ich warfen uns beinahe gleichzeitig gegen die Wand. Das Holz stöhnte wie ein lebendes Wesen unter unserem Anprall und ein zweiter, längerer Riss erschien. Rowlf riss Howard und mich mit einer ungeduldigen Bewegung zurück, hob die Fäuste und schlug mit aller Kraft gegen das Holz. Die Wand erbebte und der Riss verbreiterte sich weiter. Ich sah, wie Rowlfs Fingerknöchel aufplatzten und Blut über seine Hände lief, aber er schlug weiter mit aller Kraft auf die Bretterwand ein. Der Riss wuchs zu einem Spalt heran. Rowlf brüllte auf, griff mit beiden Händen nach seinen Rändern und zerrte mit aller Gewalt. Mit einem berstenden Laut löste sich ein Brett und gab den Weg in den dahinterliegenden Raum frei.
Die Kajüte verwandelte sich in ein Flammenmeer, als wir in den Laderaum taumelten. Der frische Sauerstoff, der durch das Loch in die Kajüte strömte, fachte die Flammen zu neuer Wut an und selbst hier war die Hitze kaum mehr auszuhalten. Rowlf ballte noch einmal die Fäuste, sprengte die Luke mit einem einzigen gewaltigen Hieb auf und sprang ansatzlos nach oben. Mit einer kraftvollen Bewegung zog er sich aufs Deck hinauf, wirbelte herum und streckte mir die Hände entgegen. Howard entriss mir das Buch, das ich noch fest umklammert hielt, ohne dass ich es bisher überhaupt bemerkt hätte, und Rowlf zog mich ohne viel Federlesens zu sich herauf und lud mich wie einen Sack auf dem Deck ab. Sekunden später reichte Howard ihm das Necronomicon und sprang kurz darauf selbst an Deck.
Für einen kurzen Moment waren wir in Sicherheit. Der Decksaufbau gab uns Sichtschutz zum Hafen hin, aber es konnte nur Augenblicke dauern, bis die aufgeputschte Menge unsere Flucht bemerkte. Und fast, als wäre dieser Gedanke ein Stichwort gewesen, erschien in diesem Moment eine einzelne Gestalt auf dem Kai und deutete heftig gestikulierend zu uns hinüber. »Da sind sie!«, brüllte eine Stimme. »Sie versuchen zu entkommen!«
Ein Schuss peitschte und dicht neben uns spritzten Holzsplitter aus dem Deck. Howard wirbelte herum und sprang mit einem gewagten Hechtsprung ins Wasser und Rowlf versetzte mir kurzerhand einen Stoß, der mich rücklings über die Bordwand und ins Wasser stürzen ließ.
Die Kälte betäubte mich fast. Vor Augenblicken noch waren wir beinahe bei lebendigem Leibe geröstet worden, jetzt hatte ich das Gefühl, in Bruchteilen von Sekunden von innen heraus zu Eis zu erstarren. Ich schluckte Wasser, kämpfte mich – mehr instinktiv als mit bewussten Bewegungen – an die Oberfläche und hustete qualvoll. Das eisige Wasser saugte das Leben aus meinen Gliedern, so schnell, dass ich spüren konnte, wie meine Muskeln hart und taub und nutzlos wurden.
Eine Welle ergriff mich, hob mich ein Stück hoch und schmetterte mich gegen die Kaimauer. Der Schlag trieb mir die Luft aus den Lungen, aber der Schmerz riss mich auch wieder in die
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