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Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Titel: Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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    Vier unterschiedliche Männer trugen den Sarg über den Hügel.
    Am Horizont schoben sich dunkelrote Lichtschimmer gegenseitig umher, denn hinter der dünnen Wolkendecke versank in diesen Minuten die Sonne. Ein frischer Wind war aufgekommen, zerrte an den Hüten der Trauergemeinde und brachte mehr als nur eine Ahnung vom nahenden Herbst.
    Die Gemeinde, das waren die vier Träger, nicht mehr. Sie bewohnten zwei Bretterverschläge in einer Senke, die sie großzügig zu einer Ortschaft ernannt hatten. „Rich Stone Valley“, ein großspuriger Name für zwei armselige Hütten, aber wer wollte ihnen das bisschen Luxus, das in einem Namen lag, streitig machen? Sie waren harte Männer oder hielten sich wenigstens dafür, nur den Kerl, der im Sarg lag, den hatten sie nie als einen der ihren angesehen. Ein feiner Herr von der Ostküste, mit britischen Wurzeln, hager, schwächlich und besserwisserisch, geschliffen in der Sprache, aber ungeschickt im Umgang mit jedem Werkzeug, auf das es hier draußen ankam. Sie hatten aus ihm herausgeholt, was sie konnten. Nun gut, jetzt war er tot oder zumindest eingesargt – nur ein geringer Unterschied, der sich schon bald in Nichts auflösen würde.
    Die Sargträger stolperten auf dem karstigen Land. Überall ragten Steine aus dem Boden, die Spitzen kleiner Felsen, die weit in die Erde reichten. Es war, als leide das Land selbst unter den Pocken, nicht nur seine Bewohner.
    „Beeilt eure lahmen Knochen. Der Himmel wird sich schwarz“, grunzte der Älteste der vier in seiner seltsamen Sprache. Irgendwie redete hier jeder, wie er wollte, und so etwas wie verbindliche Grammatik schien es nicht zu geben. Die Sprache war ein weites Feld wie das Land hier. Und man verfuhr damit wie mit dem Land. Man nahm sie und tat damit, was einem gerade einfiel. Sprache war das Eigentum dessen, der sie benutzte, und mit jedem Wort steckte man den Claim dessen ab, was man sagen durfte.
    „Tu mir nicht wichtig!“, blaffte ein hagerer Mann mittleren Alters, der nach eigenen Angaben schon zwei Diebe an Bäume gehängt hatte.
    „Die Rothaut muss sehen, was der Sarg sich gefressen hat.“
    Der andere stieß ein dumpfes Ächzen aus, löste eine Hand vom Sarg und deutete mit einem schwieligen Zeigefinger den Hügel hinauf. Dort auf der Spitze warteten drei Schatten, so reglos, dass man sie für Bäume halten konnte, die nur in der Fantasie der Männer menschliche Form annahmen.
    „Gutes Glück für Sally, das alte Barmädchen“, brummte einer der Träger und benutzte damit eine Redensart, von der niemand mehr wusste, woher sie kam. Was er sagen wollte, war: Es ist erfreulich, dass die Indianer schon eingetroffen sind und dass wir nicht noch in diesem Mist-Wind und dieser Mist-Dämmerung auf sie warten müssen. Die Indianer waren die wichtigsten Gäste bei dieser schlichten Bestattungszeremonie. Für sie machte man sich die ganze Mühe. Für sie war das alte Greenhorn gestorben. Nun mussten sie das auch sehen und würdigen.
    Sie alle schnauften, als sie das letzte, das steilere Stück erklommen. Die gute Kondition, die sie sich mit viel körperlicher Arbeit an der frischen Luft erwarben, machten sie sich wieder kaputt, indem sie den scheußlichsten Schnaps soffen und alles rauchten, was sich trocknen und drehen ließ. Auf dem Gipfel des Hügels stellten sie den Sarg irgendwie ab, ohne Kommando, jeder, wie er wollte, und bei der Aktion sprang gleich der Deckel auf, und die Leiche lag offen vor ihnen.
    Der Medizinmann trat einen Schritt vor, während seine beiden Begleiter im Abstand von fünf Metern vom Sarg verharrten. Der Indianer hatte ein breites Gesicht mit einem breiten Mund. Seine Augen waren von dreieckigen Falten umkreist, die auf den ersten Blick wie aufgemalt wirkten. Die kräftigen grauschwarzen Haare hatte er zu zwei dicken Zöpfen geflochten. An den Zöpfen und an seinen Ohren hingen schwere Ketten mit Holzperlen. Federn trug er keine, auch keine Tierschädel oder Felle. Auf seiner Brust hing ein Lederbeutel, den er manchmal berührte, absichtlich, wie es schien, als ob er sich von dort Kraft oder Rat hole. Einer der Weißen lachte, wenn er es tat.
    Die Totenkiste war ein einfach zusammengezimmertes schiefes Ding. Man hatte dafür altes Holz verwendet, morsche Bretter, die man aus den Hütten herausgebrochen und dort durch neue ersetzt hatte. Von Pietät war keine Spur. Man dachte praktisch. Um in der Erde zu verfaulen, genügten die ältesten Bretter. Was die Indianer über diese Bestattung

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