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Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Titel: Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den sie mit eigenen Händen umgebracht hatte.
    Ich hatte es gewusst. Several hatte mir alles erzählt. Aber etwas in mir hatte sich geweigert, ihr auch nur zuzuhören.
    Erst als ich die Schritte hinter mir hörte und die Tür ins Schloss fiel, wurde ich mir der Tatsache bewusst, dass ich minutenlang wie versteinert dagestanden und den Toten angestarrt haben musste. Selbst jetzt fiel es mir noch schwer, mich herumzudrehen und Several anzusehen.
    Meine Gefühle müssen ziemlich deutlich auf meinem Gesicht abzulesen gewesen sein, denn Severals Blick verhärtete sich. Dann fragte sie: »Sind Sie hungrig, Robert?«
    Hungrig? Ihre Frage traf mich beinahe noch härter als der Anblick des Toten. Diese Frau stand vor dem Leichnam ihres Mannes und fragte mich, ob ich hungrig sei!!!
    »Ich … nein«, sagte ich stockend. »Danke.«
    Several nickte, ging an mir vorbei und blieb vor dem Fenster stehen. Ihr Gesicht spiegelte sich als verzerrter heller Fleck auf dem Glas. Aber ich erkannte trotzdem, dass es vollkommen ausdruckslos war. Wie Stein.
    »Wie … geht es Jennifer?«, fragte ich, weniger aus wirklichem Interesse, als mehr, um das quälend werdende Schweigen zu durchbrechen.
    »Sie schläft«, antwortete Several. Ihre Stimme klang flach und ausdruckslos. Aber es war etwas darin, das mich schaudern ließ.
    »Sie wird sterben, Robert«, sagte sie plötzlich.
    »Unsinn«, widersprach ich. »Sie ist krank, aber sie wird wieder gesund werden, Several. Es gibt Ärzte, die -«
    »Sie wird sterben«, unterbrach mich Several. »Ich weiß es. Und es ist gut so.«
    Ich starrte sie an. »Was … was haben Sie gesagt?«
    »Es ist gut so«, wiederholte Several. Noch immer war ihre Stimme ausdruckslos und als sie sich herumdrehte und mich wieder ansah, war ihr Gesicht zu einer Maske erstarrt.
    »Dieses Mädchen dort oben im Zimmer ist nicht mehr meine Tochter«, fuhr sie fort. »Sie sieht so aus wie sie und sie spricht mit ihrer Stimme, aber sie ist nicht mehr Jennifer. Ich weiß nicht, was diese Teufel mit ihr gemacht haben oder wie sie es getan haben oder warum, aber sie ist nicht mehr Jennifer.«
    Ich wollte widersprechen, aber dann senkte ich nur betreten den Blick.
    Vielleicht hatte sie Recht. Ich hatte Jennifer aus Dagons Palast befreit, fünfhundert Yards unter der Wasseroberfläche. Sie hatte Wasser geatmet! Was Dagon mit ihr getan hatte, überstieg vielleicht die menschliche Vorstellungskraft – aber es konnte sein, dass sie schon viel mehr zu seiner Art gehörte als zu unserer.
    »Was werden Sie tun?«, fragte Several. Ihr Blick schien geradewegs durch mich hindurch zu gehen.
    »Sie wissen, was ich tun muss«, sagte ich. »Dort oben in diesem Gut werden Menschenopfer vollzogen. Ich werde diesen Wahnsinnigen das Handwerk legen, das verspreche ich.«
    Aber das war es nicht, was sie meinte, und ich wusste es. »Sie werden die Behörden verständigen«, sagte sie. »Von dem Mord, den ich begangen habe.«
    Ich wich ihrem Blick aus, als ich antwortete: »Ich fürchte, ich muss es tun«, murmelte ich. »Aber keine Sorge – man wird Verständnis dafür haben, was Sie getan haben. Die Richter werden milde sein.«
    Das war gelogen und wir wussten es beide. Die englische Gerichtsbarkeit verzeiht keinen Mord, ganz gleich, aus welchen Motiven er geschehen ist. Die einzige Milde, die Several vielleicht erfahren konnte, war die, den Rest ihres Lebens in einem Irrenhaus zu verbringen, statt gehenkt zu werden. Ich wusste nicht, was schlimmer war.
    Aber ich sprach nichts davon aus, sondern wechselte mein Gepäck von der rechten Schulter auf die linke, nickte ihr noch einmal zum Abschied zu und machte mich auf den Weg zur Küste, wo das Boot warten würde, das mich zur NAUTILUS zurückbrachte.
    Der Wind frischte auf, als ich die Stadt verließ, und mit einem Male war mir kalt.
    Sehr kalt.

 

     
     
    Jenseits des zollstarken Glases herrschte immer währende Nacht. Manchmal bewegten sich Schatten durch die Finsternis, große Dinge, die sich dem Auge nicht genau zu erkennen gaben, aber bedrohlich und böse wirkten. Dann wieder war es die Schwärze selbst, die sich bewegte: ein schwerfälliges mühsames Wogen und Gleiten, als wäre sie selbst ein sonderbares, finsteres Ding.
    Nemo schauderte. Es war kalt geworden im Salon der NAUTILUS; so kalt, dass sein Atem als flüchtiger grauer Nebel vor seinem Gesicht erschien. Das Wasser, das zu Millionen und Abermillionen Tonnen auf dem stählernen Leib der NAUTILUS lastete, saugte die Wärme aus dem

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