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Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Titel: Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aber ohne Mund, Nase oder andere sichtbare Sinnesorgane. Zwei dicke, gewundene schwarze Schläuche verbanden die beiden Horrorgestalten mit der Wand.
    Spears prallte entsetzt zurück, sah sich nach einem Fluchtweg um und hob den Schraubenschlüssel, als die größere der beiden Gestalten einen Schritt in seine Richtung machte und die fürchterlichen Hände ausstreckte. »Weg!«, kreischte er. »Keinen Schritt weiter!«
    »Mach keen Scheiß nicht, Jungchen«, sagte die Gestalt. Ihre Worte klangen grauenhaft: verzerrt und hechelnd und wie die boshafte Karikatur einer menschlichen Stimme. Spears fuhr wie unter einem Hieb zusammen, machte einen Schritt zur Seite und blieb abrupt wieder stehen, als die zweite Albtraumgestalt seine Bewegung nachvollzog und nun ebenfalls die Hände hob. Das bisschen, was von seinem klaren Verstand übrig geblieben war, zerbrach vollends.
    »Verschwindet, ihr Teufel!«, wimmerte er. »Verschwindet! Geht! Lasst mich!«
    »Nu hör schon auf«, sagte die größere der beiden Gestalten. »Keiner will dir was nich tun, ehrlich … Du machst doch alles bloß schlimmer, wennen wilden Max spieln tust.« Damit trat er vor; trotz seines plump anmutenden Äußeren so schnell, dass Spears die Bewegung nicht mehr rechtzeitig registrierte. Die dreifingrige Stahlklaue schloss sich um Spears Handgelenk und hielt es mit unbarmherziger Kraft fest.
    Spears schrie auf, warf sich herum und schleuderte seinen Schraubenschlüssel mit aller Macht an dem Riesen vorbei in Nemos Kommandopult. Das schwere Werkzeug traf die empfindlichen Schalter und Geräte und zertrümmerte sie. Funken stoben auf. Irgendetwas explodierte und löste einen Hagel kleiner scharfkantiger Glas- und Metallsplitter aus und plötzlich schoss eine Stichflamme aus dem Pult und zerbarst unter der Decke des Salons.
    Als Spears mit einem hysterischen Kreischen im Griff des Riesen in der Tiefseemontur zusammensank, lief ein tiefer, stöhnender Laut durch den Leib der NAUTILUS. Irgendwo tief in ihren stählernen Eingeweiden erscholl eine dumpfe Explosion, wie ein verspätetes Echo auf die erste Detonation in Nemos Pult.
    Und langsam, ganz, ganz langsam begann sich die NAUTILUS auf die Seite zu legen und gleichzeitig tiefer zu sinken …
     
    Im schwachen Licht des noch jungen Tages betrachtet, wirkte die Stadt düster und unheimlich. Die Häuser waren wie kleine graue Schatten, buckeligen Tieren gleich, die sich ihrer Hässlichkeit bewusst waren und sich schamhaft aneinander drängten.
    Die Straßen waren leer.
    Natürlich wusste ich nicht, ob und wie viele Menschen sich in den Häusern aufhalten mochten, aber auf den Straßen und dem kleinen, halbrunden Marktplatz zeigte sich seit einer halben Stunde – seit ich meinen Beobachtungsposten auf der Kuppe des Hügels bezogen hatte – nicht eine Seele. Und ich glaubte auch nicht, dass sich hinter den blind gewordenen Scheiben der kleinen Häuser noch Menschen aufhielten. Meine Überzeugung war schwer zu begründen und noch viel schwerer zu beweisen, aber es ist mit Städten wie mit Menschen – man spürt, ob man einem Lebenden oder einem Toten gegenübersteht. Firth’en Lachlayn war tot. Ein gemauerter Leichnam, mehr nicht.
    Behutsam ließ ich die Zweige des dürren Busches, hinter dem ich Deckung gesucht hatte, zurückgleiten, richtete mich auf Händen und Knien hoch und kroch noch ein Stück weit, ehe ich es endlich wagte, mich aufzurichten und – wenngleich noch immer geduckt – zu der flachen Senke zu eilen, in der ich Several und ihre Tochter zurückgelassen hatte.
    Obwohl ich lange weggeblieben war, schien sich Several nicht einen Deut gerührt zu haben, sondern saß noch immer so da, wie ich sie verlassen hatte: zusammengesunken und nach vorne gebeugt, als träge sie eine unsichtbare Last auf den Schultern, den Kopf ihrer Tochter im Schoss geborgen und die rechte Hand auf ihrer Stirn. Das Gesicht des Mädchens war bleich wie das einer Toten. Sie atmete, aber man musste schon sehr genau hinsehen, um zu erkennen, dass sich ihre Brust hob und senkte.
    Several sah auf, als ich neben ihr niederkniete. Sie sagte nichts, aber der Ausdruck in ihren Augen sprach Bände.
    »Keine Sorge, Several«, sagte ich. »Sie wird wieder gesund. Ganz bestimmt.« Meine Worte klangen in meinen eigenen Ohren wie böser Hohn. Das Mädchen hatte das Bewusstsein nicht wieder erlangt, seit ich sie an Land gebracht hatte. Und ich spürte, wie ihre Lebenskraft von Stunde zu Stunde nachließ. Das Gefühl war ebensowenig zu

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