Hexer-Edition 18: Endstation Hölle
Diener zu. Passepartout schlug einen Haken zum Geländer, spürte den heißen Atem des Wesens, das aussah wie ein Mensch und doch keine konkret sichtbare Gestalt besaß. Es hatte kein Gesicht und keine Hände und der Kopf schien merkwürdig diffus, wie in einen Nebel eingehüllt, der die Schärfe nahm. Auch die Art der Kleidung war nicht zu erkennen, was jedoch keine Rolle spielte. Der Gegner war real und der Diener hatte alle Hände und Füße voll zu tun, ihm zu entkommen.
Passepartout spürte, wie sich das Geländer nach außen bog. Die Gestalt wollte ihn packen und griff ins Leere, denn der Diener hatte den einzig möglichen Ausweg gewählt. Er bekam die Ecke des unsichtbaren Metalls zu fassen, prallte mit den Beinen gegen den Tender und klammerte sich mit der Verzweiflung des Ertrinkenden fest. Als er den Kopf in den Nacken legte, sah er, wie Fogg den Beutel aus der Tasche zog und ihn der Kreatur entgegenstreckte.
»Es ist kein Geländer und kein Vorbau vorhanden!«, schrie er laut.
Die Gestalt stieß ein Knurren aus. Sie wuchtete ihren Körper nach vorn, aber es war, als fiele sie ins Leere. Ihre Arme zuckten und wollten etwas fassen, was nicht zu fassen war. Sie stürzte abwärts, schlug gegen den Felsboden neben dem Zug und platzte auseinander. Eine trübe schwarze Flüssigkeit sickerte nach allen Seiten davon. Die Gestalt löste sich auf und Passepartout drehte den Kopf und sah, dass auch die Tür nicht mehr vorhanden war.
»Jetzt!«, rief Fogg. Er beugte sich herab, bekam einen Arm des Dieners zu fassen und half ihm die engen und glatten Metallsprossen emporzuklimmen. Er zog ihn auf den Kohlenhaufen und deutete auf die Metallwand des Tenders.
»Was auch immer geschieht, du musst dich festhalten, um nicht herabgeschleudert zu werden!«
»Was habt Ihr vor?«
»Wir haben das Ungeheuer gerufen. Also muss es auch einen Weg geben, es wieder verschwinden zu lassen!«
Er winkte mit dem schwarzen Lederbeutel und schickte sich an, auf die Schuppen hinüberzuklettern. Wieder stieß das Ungeheuer ein urweltliches Brüllen aus, ließ ein Donnern wie von einem Bergrutsch hören und um sein riesiges Maul bildete sich gelblicher Schaum, der vom Fahrtwind mitgerissen wurde und den Tender traf.
Passepartout tappte über die Kohlen zur Mitte der hinteren Tenderwand. Er ging wie auf Eiern und ein paar Mal rutschte er ab und fiel hin. Er bekam einen Metallwulst zu fassen und klammerte sich fest. Von dieser Position aus beobachtete er das Vorgehen seines Herrn. Sorge erfüllte ihn und er versuchte Phileas Fogg durch Zurufe zum Umkehren zu bewegen. Sein Herr tat, als höre er die Worte nicht. Er hatte die Schuppen gepackt und sich auf den Bauch gelegt. Der Beutel mit dem Stein war wieder in seiner Hosentasche verschwunden.
Fogg robbte vorwärts. Die Lokomotive zuckte hin und her, die Schuppen stellten sich auf und klappten zusammen. Fogg musste aufpassen, dass er sich dabei nicht die Hände einklemmte. Er stellte sich geschickt auf die Bewegungen des Ungeheuers ein und so kroch er Yard um Yard vorwärts, den Rücken des Sauriers entlang, der den Kopf zur Seite gewandt und das eine Auge auf Fogg gerichtet hielt, der sich dem Kopf mit einer Verbissenheit näherte, die nur ein Mensch aufbringen konnte, der zwischen dem Tod und dem Leben zu wählen hatte.
Ein Schlag erschütterte den Zug und den Tender. Fogg wurde emporgerissen. Plötzlich hing er frei in der Luft und ruderte mit den Armen. Sein Körper krümmte sich und schnellte nach unten, seine Hände gruben sich unter die Schuppen, bekamen Halt und zogen den Körper herab. Passepartout schätzte, dass es noch etwa zehn Yards waren, bis sein Herr den Kopf erreicht hatte.
Und dann geschah das Entsetzliche, das all das Wahrheit werden ließ, was Fogg bereits gesagt hatte.
Dass sie das Ziel ihrer Reise nie erreichen würden. Dass sie keine Chance hatten zu überleben.
Der Saurier, der den Zug mit sich riss, vollführte eine Notbremsung. Der Ruck war so hart und gewaltig, dass sämtliche Knochen des Weltreisenden knirschten. Seine Hände wurden unter die Schuppen getrieben und stauchten sich dort. Die scharfkantigen Schuppenränder rammten sich in den Bauch des Engländers. Die Beine hingen frei in der Luft und Phileas Fogg stieß einen gequälten Schrei aus, der erst abbrach, als er den Halt verlor und durch die Wucht der Bremsung nach vorn gerissen wurde. Eine Körperbreite über dem geschuppten Rücken flog er auf den Kopf zu, der mit einem Ruck ganz herumfuhr und
Weitere Kostenlose Bücher