Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel
aufzuhalten.
Sie spürte, wie ihre Kräfte immer mehr erlahmten. Trotz der Kälte war ihr Gesicht schweißüberströmt. Mit jeder Minute ließ ihre Konzentration nach. Schon jetzt war abzusehen, wann ihre geistige Abwehr endgültig zusammenbrechen würde. Sie hatte keine Chance mehr, diesen Kampf noch zu gewinnen, dennoch bemühte sie sich weiterhin erbittert, eine Wende herbeizuführen. Sie wusste, dass sie nicht aufgeben durfte. Es hätte nicht nur ihr Ende bedeutet, sondern auch Robert Cravens Schicksal besiegelt.
Ohnmächtiger Zorn schoss in ihr hoch. Trotz allem, was er bisher erlebt hatte, war Robert immer noch wie ein Kind, unfähig zu durchschauen in welches Netz von Fallen er sich verstrickt hatte. Er war geradezu blind vor Liebe und würde sich noch weigern das Verhängnis zu sehen, wenn er die Wahrheit über Priscylla wusste; die Wahrheit über das Geschöpf, das den Untergang der Welt herbeiführen würde. Shadow hatte sich übernommen, die Umstände hatten sie viel zu früh zum Handeln gezwungen. Ihr Plan war fehlgeschlagen, weil sie noch zu schwach war. Nun konnte sie nur noch versuchen zu retten, was zu retten war.
Zorn und Verzweiflung verliehen ihr noch einmal neue Kraft. Mit aller Konzentration, die sie noch aufbringen konnte, schlug sie zu.
Ihr Gegner wankte und taumelte zurück. Jäher Schrecken verzerrte sein Gesicht. Seine zum Angriff erhobenen Arme sanken herab.
Shadow schloss die Augen, um sich noch besser konzentrieren zu können. Verbissen kämpfte sie gegen den Willen des Mannes an und drang immer tiefer in sein Bewusstsein vor. Sein Geist wehrte sich, bemühte sich Barrieren zu errichten, aber sie fegte sie beiseite. Shadow wusste, dass sie gewonnen hatte. Sie holte zu einem letzten, entscheidenden Hieb aus, als plötzlich …
Es war, als würde ein Blitz durch sie fahren. Grell lodernde Glut erfüllte ihr Bewusstsein. Ihre mentalen Fühler wurden von einer Kraft, die der ihren um ein Vielfaches überlegen war, zurückgedrängt. Schlagartig verlor sie jeden Kontakt zum Geist des Mutanten. Schreiend stürzte sie zu Boden und presste die Hände an den Kopf, ohne den Schmerz dadurch lindern zu können.
»Steh auf!«, befahl eine harte Stimme. Gleichzeitig verebbte der Schmerz.
Shadow hob den Kopf. Sie wusste, wer vor ihr stand, und trotzdem erschrak sie. Ihr war, als stürze sie in einen bodenlosen Abgrund. Sie sah das Wesen nicht mit menschlichen Augen und was sie hinter der Maske Priscyllas erkannte, ließ sie erneut gepeinigt aufschreien. Obwohl sie die Falle als solche längst durchschaut hatte, wurde ihr erst in diesem Augenblick bewusst, wie hinterhältig der Plan ihrer Feinde wirklich war – und wie weit er bereits gediehen war.
»Du … du bist …«
»Schweig!«, donnerte Priscylla. Ein böses Lächeln glitt über ihr Gesicht. »Du warst schlau und fast wäre es dir gelungen meinen Plan zu durchkreuzen. Du wusstest, dass Robert dir nicht glauben würde, wenn du ihm einfach nur die Wahrheit über die SIEGEL erzählt hättest.«
»Er wird es merken«, antwortete Shadow und bemühte sich ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen. Sie wandte ihren Blick von Priscylla ab, weil selbst sie fürchtete, den Verstand zu verlieren, wenn sie den Anblick noch länger ertragen musste.
»Du kannst meinen Körper vernichten«, fuhr sie fort. »Aber Robert wird die richtigen Schlüsse ziehen und dich durchschauen, wenn er von meinem Tod erfährt.«
»Das glaube ich nicht. Wie sollte er Schlüsse aus etwas ziehen, von dem er nicht einmal etwas weiß?«
Priscylla blickte den reglosen Körper des Hexers an und vollführte einige komplizierte magische Gesten mit den Händen. Worte einer uralten, seit Hunderten von Millionen Jahren vergessenen Sprache quollen aus ihrem Mund. Unsichtbare Energieströme brachen aus ihren Händen und vereinten sich an dem Ort, wo Robert lag. Trotz der Ohnmacht musste er Schmerzen verspüren und zuckte zusammen.
»So einfach ist das«, triumphierte Priscylla. »Es ist, als ob du in dieser Inkarnation niemals existiert hättest.«
»Die Wahrheit ist immer noch in seinem Unterbewusstsein verankert«, stieß Shadow hervor. »Du weißt, dass eine El-o-hym nicht wie ein Mensch stirbt. Im Augenblick meines Todes werde ich noch die Kraft finden, deine Gedächtnisblockade zu beseitigen. Du kannst mir nichts antun; trotz allem hast du verloren.«
Wieder lächelte Priscylla. Auf ihrem Gesicht zeigte sich eine Mischung aus Spott und falscher Freundlichkeit.
»Du
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