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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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weiter wir zurückgehen, umso stärker waren die Gegenstände, die getragen wurden, mit Bedeutung aufgeladen. Im Zeitalter der Gottkönige, wie zum Beispiel im alten Ägypten oder Sumer, waren der Mann oder die Frau und ihre Kostüme und Insignien fast ein und dasselbe: Sie waren ihre Rolle, und die Rolle war die Kleidung und ihre Verzierungen. Sie wurden nicht bloß getragen, sondern waren buchstäblich der Sitz der Macht.
    Betrachten wir das älteste Gedicht, das wir bruchstückhaft kennen, den mesopotamischen Zyklus, der manchmal »Inannas Gang in die Unterwelt« genannt wird. Darin steigt die Lebensgöttin Inanna in die Unterwelt hinab, um ihrer Schwester, der Todesgöttin Ereschkigal, entgegenzutreten. Um sich auf dieser Wanderschaft zu beschützen, führt Inanna eine erstaunliche Anzahl mächtiger talismanischer Gegenstände mit sich: besondere Sandalen, die sieben Insignien, die Wüstenkrone, die königliche Perücke, einen Stab, mehrere Edelsteine, zwei Schultergürtel, einen goldenen Ring, Gesichtsschminke und ein Herrschaftsgewand. Die Gesetze der Unterwelt besagen jedoch, dass sie all das aufgeben muss, und nachdem alle ihre Schutzamulette fort
sind, ist sie nackt; woraufhin sie stirbt und an einem Nagel aufgehängt wird. Jeder Achilles hat seine Ferse, seinen verletzlichen Punkt; für jeden Superman gibt es ein Kryptonit, eine Macht, die seine besonderen Kräfte aufhebt.
    Die Geschichte aus Mesopotamien nimmt ein einigermaßen glückliches Ende. Inanna ist die Göttin des Lebens und der Fortpflanzung, also wäre es eine Katastrophe, bliebe sie im Reich der Toten zurück. Aber kein Sterblicher kann in die Unterwelt geschickt werden, um sie mit dem »Wasser des Lebens« zu retten, da jeder Sterbliche stirbt, der dort hinabsteigt; also erschafft der Gott Enkil aus dem Schmutz unter seinen Fingernägeln zwei nichtmenschliche Geschöpfe und schickt sie stattdessen in die Tiefe, womit er uns sozusagen die Vorfahren der Golems geschenkt hat, der Statuen, die zum Leben erwachen, und damit letztlich auch der Roboter. Wir erfahren nicht, ob Inanna auf ihrer Wanderschaft zurück an die Oberfläche ihre Insignien wiederbekommt, aber da sie später wieder ihre Krone trägt, können wir wohl davon ausgehen.
    Um wie viel älter als Mesopotamien ist der Zusammenhang zwischen Kleidern, Talismanen und größerer Macht? Ein ganzes Stück älter. Manche der seltenen Darstellungen von Menschen in paläolithischen Höhlengemälden sind genau genommen nur halb menschlich; Fachleute glauben, dass es sich dabei um Schamanen handelt, die sich Felle und Hörner von Tieren anlegen und dadurch selbst zu Tieren werden, in Gedanken eine Verbindung zu anderen Tieren herstellen und damit ihren Aufenthaltsort ermitteln – und sie vielleicht sogar bitten, ihren Leib dem hungrigen Stamm zu opfern.
    Diese Verkleidung und das damit verbundene Ritual verkörpern die Macht der Schamanen. Die Schamanen der Jäger und Sammler lebten mit ihren Mitmenschen zusammen,
nicht in einem Palast oder Tempel. Die meiste Zeit gingen sie wie alle anderen auch ihren täglichen Verrichtungen nach, doch bei Bedarf verwandelten sie sich in ihre magischen Alter Egos, um der Gemeinschaft zu dienen. In einem Film über die australischen Ureinwohner namens 10 Kanus, 150 Speere und 3 Frauen , der in den Tagen vor der ersten Besiedlung durch die Europäer spielt, kann man beobachten, wie diese Transformation abläuft. Die Macht des Schamanen ist gefragt; er verschwindet hinter einem Busch und taucht am ganzen Körper bemalt wieder auf, bereit, seine Magie zu wirken. Er ist zwei Menschen gleichzeitig: sein gewöhnliches Ich und sein anderes Ich, das ungewöhnlich mächtig ist und zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt hin und her wechseln kann. Sein besonderer Schmuck ist, wie bei Captain Marvel auch, ein Signal an die Zuschauer, dass sich seine Daseinsform gewandelt hat.
    Die Doppelidentität
    Die zweifache Existenz der Superhelden hat also eine lange Tradition. Und in der Epoche unmittelbar vor der Geburt der Comichefte wimmelt es nur so von direkteren Vorfahren.
    In der erzählenden Literatur des 19. Jahrhunderts sind Doppelgänger ein häufiges Phänomen, wie auch in der Oper und im Ballett jener Zeit – denken wir nur an den weißen und schwarzen Schwan in »Schwanensee«. Stevensons Dr. Jekyll und sein kleinerer, jüngerer und haarigerer Doppelgänger, der fiese Mr. Hyde, Wildes Dorian Gray und sein sieches, verderbtes Bildnis und Poes William

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