Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heyne Galaxy 14

Heyne Galaxy 14

Titel: Heyne Galaxy 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
Vom Netzwerk:
Tages.
    Sie erhob sich, duschte und kleidete sich mechanisch an. »Was ist los, Kleines?« fragte Mia neugierig.
    »Nichts. Klef ist abgereist.«
    »Du wirst bald andere kennenlernen«, sagte die Schwester und tätschelte ihr beruhigend die Hand. Obwohl zwischen den beiden Mädchen altersmäßig eine enge Verbindung bestand, fühlte sich Mia in Marys Gegenwart selten wohl.
    Schweigend setzte sich Mary mit den anderen zu Tisch. Das frische Brot und der Kaffee dufteten anregend. An dem lebhaften und fröhlichen Gespräch der anderen nahm sie nicht teil. Anschließend nahm sie ihren Webstuhl auf, ging mit den Schwestern in den Hof und setzte sich an ihren gewohnten Platz. Die Arbeit begann.
    Ungewiß dehnte sich die Zeit in die Zukunft. Wie viele Morgen ihres Lebens würde sie hier sitzen und wie jetzt mit dem Weben beginnen? Wie sollte sie das aushalten? Wie war sie überhaupt in der Lage gewesen, bis heute durchzuhalten? Sie legte die Finger auf die Kontrollen des Webstuhls und wunderte sich, wie schwer sich die Knöpfe heute drücken ließen. Eine Träne fiel auf die Tastatur.
    Mia beugte sich herüber. »Stimmt etwas nicht? Fühlst du dich nicht gut?«
    Hilflos ballte sie die Fäuste. »Ich kann nicht…« Mehr brachte sie nicht heraus. Heiße Tränen rannen ihr über das Gesicht. Ihr Kinn zitterte. Tief beugte sie den Kopf über ihren Webstuhl.
    Die anderen versammelten sich um sie. »Ist sie krank?« – »Was ist denn los?« – »Immerhin war's für sie das erstemal, das dürft ihr nicht vergessen.« Schließlich unterbrach Vivanas kräftige Stimme die durcheinanderschwirrenden Bemerkungen. »Na, was haben wir denn?«
    Sie blickte auf. »Er ist wieder weggefahren, Vivana. Ich kann einfach nicht…«
    »Natürlich ist er weggefahren, dummes Mädchen.« Tröstend legte sich ein stämmiger Arm um ihre Schultern.
    »Aber ich liebe ihn.«
    »Natürlich hast du das getan. Deshalb braucht man doch nicht gleich zu weinen. Jetzt nimmst du dich zusammen und bist ein braves Mädchen, ja?« Sie hatte zwei Fingerspitzen unter Marys Kinn gelegt und blickte sie prüfend an. »Hmm. Du scheinst nicht allzuviel geschlafen zu haben. Und richtig gefrühstückt hast du auch nicht, wie?«
    Die Tränen flössen noch immer. Mary konnte nichts dagegen tun.
    »Sie ist nicht gerade kräftig …«, flüsterte jemand.
    »Jetzt aber ruhig! Schau«, Vivanas Stimme wurde sanft, »ich werde dir heute morgen die Arbeit erlassen. Du kannst nach oben gehen und dich ausschlafen, wenn du willst. Oder geh in die Sonne. Um deinen Webstuhl brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
    Mary erhob sich und trocknete ihre Tränen. Sie fühlte sich sehr bedrückt, aber gleichzeitig war sie geschmeichelt, daß sie so im Mittelpunkt des Interesses stand. Die anderen Mädchen nahmen ihre Arbeit wieder auf, während Vivana Mary zum Torbogen führte. »Hör zu«, sagte sie leise. »Wann bist zu zum letztenmal in der Kirche gewesen?«
    »Ich weiß es nicht. Vor einigen Wochen – vor einem Monat etwa. Warum?«
    »Weil du heute morgen eine gute Gelegenheit hast. Es wird dir guttun, das mußt du mir glauben.« Beruhigend tätschelte sie ihr den Arm und wandte sich ab.
     
     
    3
     
     
    Illiria war im Gegensatz zu einigen der nördlichen Inseln weder langweilig flach noch übermäßig hügelig, sondern verfügte über einen angenehmen Formenreichtum. Die alten kopfsteingepflasterten Straßen hoben und senkten sich in eigenwilligem Rhythmus, unterbrochen von Treppen und Balkons und Arkaden. Nirgends bot sich ein freier Ausblick – immer wieder eröffneten sich dem Blick neue Perspektiven. Die Gebäude waren von einer freundlichen Vielfalt. Einige hatten Kuppeln und Türme, andere breiteten sich scheinbar endlos aus. Weiß war die vorherrschende Farbe, unterbrochen von kühlen blauen, gelben und roten Tönen.
    Seit mehr als dreihundert Jahren schwamm die Insel so wie sie heute war – mit ihren Plazas und Brunnen, mit ihren kleinen Fenstern und verwinkelten Straßen und abgeknickten Dächern. Auch die Menschen hatten sich nicht verändert. Die Gründer Illirias hatten das Beste aus ihrem zusammengeschmolzenen Vorrat gesunder Gene gemacht und hatten zweihundert Menschentypen ausgewählt, die vor allem widerstandsfähig, fleißig und fröhlich waren und die immer wieder für die Vermehrung herangezogen wurden. Jeder illirische Mann wurde vor der Pubertät sterilisiert; der Fortbestand der Rasse war durch die Inkubatoren und Tiefkühllager im Geburtslaboratorium des

Weitere Kostenlose Bücher