HHhH
Eindringling kämpfen zu können, laufen sie an Deck auf und ab. Noch wissen sie nichts von der Fremdenlegion, Algerien, dem französischen Landleben und Londons Nebel. In den engen Laufgängen stoßen sie auf der Suche nach einer Kabine, einer Zigarette oder einer Bekanntschaft ungeschickt aneinander. Gabčik stützt sich mit den Ellbogen auf der Reling ab und blickt aufs Meer hinaus, das jenen, die wie er aus einem Binnenstaat stammen, so besonders erscheint. Aus diesem Grund richtet er den Blick zweifellos nicht gen Horizont (einer zu platten Metapher für seine Zukunft), sondern nach unten auf die Wasserlinie, wo das Meer kommt und geht und sich die Wellen in einer hypnotischen und trügerischen Pendelbewegung am Schiffsrumpf brechen, auseinandertreiben und erneut brechen. «Hast du Feuer, Kamerad?» Gabčik erkennt den mährischen Akzent sofort. Der Schein seines Feuerzeugs erhellt das Gesicht seines Landsmannes. Ein Grübchen am Kinn, volle Lippen, wie geschaffen zum Rauchen, und in den Augen eine grundlegende Gutherzigkeit. «Ich heiße Jan», sagt er. Rauchringe steigen in die Luft. Gabčik antwortet mit einem Lächeln. Auf der Überfahrt werden sie alle Zeit der Welt haben, sich kennenzulernen. Unter die schattenhaften Soldaten in Zivil mischen sich andere Schatten, die auf dem Schiff umherstreifen: desorientierte Greise, Frauen mit verschleiertem Blick ohne Begleitung, Kinder, die artig ihren kleinen Bruder an der Hand halten. Auf der Brücke steht eine junge Frau, die Ähnlichkeit mit Natacha besitzt – die Hände auf der Reling, ein Bein angewinkelt, während der Wind mit ihrem Rocksaum spielt. Und vielleicht bin auch ich an Bord.
Über Laurent Binet
Laurent Binet wurde 1972 in Paris geboren. Er absolvierte seinen Militärdienst in der Slowakei und hat in Prag Geschichte studiert. Jetzt lebt er in Paris.
«HHhH» ist sein erster Roman. Binet erhielt dafür zahlreiche Preise, «L’Express» wählte «HHhH» zum interessantesten Erstlingsroman des Jahres.
Über dieses Buch
Beim Spaziergang durch Prag entdeckt der Autor an der Krypta eine Gedenktafel für tschechische Widerstandskämpfer. Sie versteckten sich dort nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich – bis deutsche Soldaten, nachdem sie auf der Suche nach ihnen schon ganz Prag auf den Kopf gestellt hatten, die Krypta fluten ließen.
Der Ich-Erzähler Binet ist so elektrisiert von dieser Geschichte, dass er beschließt, von Paris nach Prag zu ziehen und ihr nachzugehen.
Er verfolgt die sich kreuzenden Spuren der Nationalsozialisten und Widerstandskämpfer im Frühsommer 1942 in Prag. Der Chef der Gestapo Reinhard Heydrich soll von dem Tschechen Josef Gabčik, der an den braven Soldaten Schwejk erinnert, auf offener Straße erschossen werden. Doch als der Mercedes mit Heydrich naht, klemmt der Abzug ...
Ein freches und mutiges Buch, das man lachend und weinend zugleich liest.
«Ein stilistisches Feuerwerk über den gefährlichsten Mann des Dritten Reichs.» PAGE
Impressum
Die Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel «HHhH. Himmlers Hirn heißt Heydrich» bei Éditions Grasset, Paris.
Die Arbeit an der Übersetzung wurde freundlicherweise unterstützt vom Deutschen Übersetzerfonds.
Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, September 2011
Copyright © 2011 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
«HHhH» Copyright © 2009 by Éditions Grasset
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages
Umschlaggestaltung: Anzinger | Wüschner | Rasp, München
(Umschlagabbildungen: ullsteinbild – Peters)
Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved. Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.
ISBN Buchausgabe 978-3-498-00668-6 (1. Auflage 2011)
ISBN Digitalbuch 978-3-644-01421-3
www.rowohlt-digitalbuch.de
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