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Hier hat s mir schon immer gefallen

Titel: Hier hat s mir schon immer gefallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx Melanie Walz
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zustehen würde?«
    »Ja. Dann kommt die Militärpolizei an zweiter Stelle. Wir sind die Zweitdümmsten, da können wir uns was drauf einbilden.«
    Sie hatten gelernt, dass Checkpoints überaus gefährlich waren, und nach einigen Wochen entwickelte Dakotah ein magisches Ritual, um sich zu schützen. Sie zuckte schnell mit den Muskeln von Zehen, Ferse, Wade, Knie, Hüfte, Bauch, Schulter, Augenbraue, Ellbogen, Handgelenk, Daumen und Fingern der rechten und danach der linken Seite. Bonita hatte ihr ein versilbertes Kreuz geschickt, das sie wiedererkannte. Es hatte immer in der zweiten Schublade des Küchenbüfetts gelegen, zusammen mit einem Schildpattkamm, einemTopflappen, der zu schön war, um benutzt zu werden, einem Paar kleiner Glacéhandschuhe, die Verls legendärer Urgroßmutter gehört hatten, und einer roten Schachtel mit Schiebedeckel, die alte Knöpfe enthielt. Sie trug das Kreuz einmal, doch es verfing sich in ihren Hundemarken, und sie legte es beiseite.
    Es war ihr zuwider, irakische Frauen zu durchsuchen, und sie wusste, dass es den Frauen genauso zuwider war. Manche von ihnen stanken, und unter ihren voluminösen und oft abgerissenen und verschmutzten Burkas konnte sich alles Mögliche verbergen, vom Schwarzmarkt-Radiogerät über Babykleidung bis zu einer Bombe. Eine junge Frau hatte einmal sechs glänzende Auberginen unter ihrer Kleidung versteckt. Dakotah hatte Mitleid mit der Frau, die nicht einmal ein paar Auberginen kaufen und nach Hause tragen konnte, ohne von einer amerikanischen Soldatin betatscht zu werden. Nie zuvor war ihr die Welt so abscheulich und waren ihre eigenen Probleme ihr so jämmerlich und unbedeutend vorgekommen.
    An dem Tag, an dem die USBV unter dem Humvee explodierte, hatte Dakotah ihr Schutzritual links nicht vollzogen, sondern sich stattdessen für eine dritte Tasse Kaffee entschieden. Es passierte so plötzlich, dass sie nichts bemerkte. Eben noch waren sie schnell gefahren, und im nächsten Augenblick sah sie zu Chris Jinkla auf.
    »Muuh«, sagte sie, weil sie einen Kuhscherz für den Veterinärsohn machen wollte, doch er erkannte sie nicht und dachte, sie stöhne vor Schmerzen. Sie spürte nichts und versuchte ihr magisches Muskelzucken durchzuführen, doch mit ihrer rechten Seite war etwas nicht in Ordnung.
    »Mir geht es gut, Chris. Aber mein Arm …«
    Der Sanitäter erschrak. Er spähte in ihr blutverschmiertes Gesicht. »Mein Gott, Pat, bist du es?«
    »Dakotah«, flüsterte sie. »Ich bin Dakotah. Mir geht es gut, aber ich brauche meinen Arm. Such ihn bitte. Ich kann nicht ohne Arm nach Hause zurück.« Sie drehte den Kopf und sah einen Haufen blutiger Fetzen und ein Stück Haut.
    »Marnie?«
    Ihr rechter Arm war noch vorhanden, allerdings entsetzlich zerschmettert, und der Arzt im Feldlazarett sagte, es bleibe ihnen nichts anderes übrig als zu amputieren und dabei genug Armstumpf für eine Prothese zu erhalten. »Sie sind jung und gesund«, sagte er. »Sie werden es durchstehen.«
    »Mir geht es gut«, stimmte sie zu. »Was ist mit Marnie?« Noch während sie sprach, wusste sie die Antwort.
    Der Arzt sah sie nur an.
    Zusammen mit anderen Verwundeten wurde sie nach Deutschland geflogen; allmählich wurde ihr bewusst, dass man ihr etwas vorenthielt, schlimmer als ihr zerfetzter Arm, der amputiert worden war, etwas von der Tragweite von Marnies Tod. Vielleicht hatte man entdeckt, dass sie Krebs hatte, und wollte es ihr nicht sagen. Doch erst als sie in das Walter-Reed-Militärhospital in Washington verlegt worden war, erfuhr sie den Schicksalsschlag von Bonita, die an ihrem Bett stand und sie mit einer eigenartigen Mischung aus Kummer und durch ihren Armstumpf geweckter dämonischer Neugier ansah.
    »Oh, oh«, flüsterte Bonita und brach in einen Tränenschwall aus. Nie zuvor hatte Dakotah jemanden so weinen sehen; die Tränen flossen Bonita die Wangen hinunter zu den Mundwinkeln und tropften von ihrem Kinn auf die Rayonbluse, als wäre ihr Kopf mitWasser gefüllt. Minutenlang brachte sie kein Wort heraus.
    »Baby Verl«, sagte sie schließlich.
    »Was!?« Dakotah wusste sofort, dass das Allerschlimmste passiert war.
    »Er saß auf der Ladefläche von Big Verls Truck …«, und die Tränen schossen ihr wieder aus den Augen. »Er ist runtergefallen.«
    Die Geschichte kam langsam und tränenreich. Der achtzehn Monate alte Junge war immer gern mit seinem Urgroßvater im Wagen gefahren, und an diesem Tag hatte Verl ihn zu den Hunden auf die offene Ladefläche gesetzt.

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