High - Genial unterwegs an Berg und Fels
gut wie nie. Wir tranken die argentinische Nationalmarke »Quilmes«. Nicht so wässrig. In der Cevercería lernte ich übrigens Spanisch: »Una cerveza, por favor«. Und: »Una mas«.
Sie spielten genialen Salsa in der Cervecería, so dass sich jede Tageszeit wie später Nachmittag anfühlte. Das passte zu El Chaltén. Wenn das Wetter schlecht war – und das Wetter war oft schlecht –, saßen wir meistens an den Holztischen, tranken Bier und unterhielten uns mit den Mädels, die in der Cervecería arbeiteten. Eine von ihnen hieß Andrea. Sie war so groß wie ich und hatte bestimmt 80 Kilo. Aber ihr Lächeln. Und wenn sie loslachte. Da war, was mich in El Chaltén vom ersten Moment an begeisterte: die spontane Lebensfreude! Die Menschen hatten Spaß an dem, was sie taten, sie stellten keine Fragen und sie dachten nicht an morgen. Was dir in den Sinn kommt, machst du. Aber vielleicht machst du morgen auch wieder das Gegenteil, weil du nämlich Lust darauf hast. Niemand fragte uns, warum wir plötzlich hier waren und in der Cervecería herumhingen. Niemand fragte uns, wo wir gestern gewesen waren und morgen hingehen würden.
Das gefiel mir. Die Typen taten nicht so, als ob sie cool wären. Sie waren cool.
Gleich nach der Ankunft war das Wetter genial, und uns saß der Tatendrang im Genick. El Chaltén ist vom Torre etwa 30 Kilometer weit entfernt, das ist zu weit, um bei Schönwetter aus dem Bett zu hüpfen und klettern zu gehen.
Noch am ersten Tag marschierten wir in den Nationalpark zum Bridwell Camp und trugen das Kletterzeug hinein. Das Bridwell Camp ist das erste Lager auf dem Weg von El Chaltén zum Torre, es liegt auf der Höhe der letzten Bäume und wird heutzutage nur mehr selten benutzt.
Die Alpinisten, die den Cerro Torre besteigen wollten, bauten ihre Lager am Anfang noch möglichst nahe beim Berg. Aber dort hielten sie es nicht lange aus. Der Wind ist so stark, dass du nichts mehr hörst, nichts mehr spürst, nichts mehr denken kannst. Auf dem Gletscher waren die Böen so wuchtig, dass es mich dreimal umschmiss. Je näher am Berg, desto stärker der Wind. Klettern kannst du angeblich bis Windstärke 9, das sind rund 80 Stundenkilometer. Auf dem Torre bläst es nicht selten mit Windstärke 20. Das Bridwell Camp liegt im Windschatten der Bäume. Der Mann – Jim Bridwell, eine amerikanische Big-Wall-Legende – wusste, warum.
Über den Fluss, der den Nationalpark durchquert, haben ein paar Tiroler einen Seilübergang gebaut, er heißt logischerweise »Tirolese«. Die Strecke bis hierher ist sauschön, sie zieht auch eine Menge Touristen an. Auf dem Gletscher sahen wir dann noch vereinzelte Ice-Trekker. Die zahlen 100 Euro für eine halbe Stunde, in der sie mit den Steigeisen auf dem Gletscher herumstapfen. Wir hatten ein paar witzige Begegnungen, als wir in Turnschuhen im Eilzugtempo über den Gletscher rasten, so dass die Ice-Trekker ihren Mund vor Staunen nicht mehr zukriegten.
Am Anfang gab uns der Ehrgeiz die Sporen. Weiter, Burschen, weiter. Wir kehrten vom Bridwell Camp nach El Chaltén zurück, übernachteten, und machten uns tags darauf sofort wieder auf die Socken, diesmal weit auf den Gletscher hinauf, gewaltige Eiswelt, tiefe Spalten, unfassbares Panorama. Hier trennen sich die Wege derer, die auf den Cerro Torre wollen, von demjenigen, die den Fitz Roy anvisieren. Norweger, die auf den Torre wollten, hatten etwas weiter oben ein Camp eröffnet, das seither »Norwegercamp« heißt. Eine polnische Seilschaft, die den Fitz Roy im Visier hatte, schlug eines auf dem Weg nach Osten auf, seither das »Polencamp«. Unser Stützpunkt lag weiter talauswärts und hieß »Nipo Nino«, weder Polen noch Norwegen. Manche nennen den Platz, der ein biss chen windgeschützt zwischen riesigen Granitblöcken liegt, auch »Sandy Beach«, weil sich zwischen den Blöcken richtige Sandbänke aus Granitabrieb gebildet haben. In diesem Sand schaufelten wir ebene Flächen, auf denen wir unser Zelt aufstellten.
Als wir abends in El Chaltén ins Bett kippten, waren wir gerädert und fertig. Schon die drei Stunden zum Bridwell Camp waren anstrengend gewesen, weil wir wirklich schweineviel Gepäck zu schleppen gehabt hatten, jeder grob geschätzt 25 bis 30 Kilo, und zum Nipo Nino dauerte es bei dröhnendem Wind insgesamt etwa sieben Stunden. Daniel brach zweimal in eine kleine Spalte ein, so dass er bis zum Knie im Wasser stand. Das machte den Marsch auch nicht komfortabler.
An den ersten Abenden kontrollierte ich
Weitere Kostenlose Bücher