Hilfe, die Googles kommen!
Idylle? Sie stopfen Futter und Leckereien in Kisten, Rohre und Baumritzen, damit die Affen ein wenig Mühe bei der Essensbeschaffung haben und beschäftigt sind. Andernfalls würden die Primaten sich aus lauter Langeweile gegenseitig die Haare ausreißen, die Ohren abbeißen und die Zoobesucher mit ihren Exkrementen bewerfen.
Ein Szenario, das auch demjenigen nicht unbekannt sein dürfte, der in der Zeit vor dem Internet sein Dasein in einer Reihenhaussiedlung gefristet hat. Jetzt, da die Funktionstüchtigkeit des Netzwerkdruckers ein brennenderes Thema ist als der zu nah am Zaun platzierte Komposthaufen des Nachbarn, richtet sich der Unmut eher gegen technische Geräte als gegen Mitmenschen. Als Pazifist und Harmoniejunkie muss man diese Entwicklung zumindest als Schritt in die richtige Richtung begreifen. Der Drucker hat – im Gegensatz zu unserem Nachbarn – unsere Wut verdient. Vor allem vor dem Hintergrund, dass uns die Drucker-Industrie, die Crackdealer unter den Elek tronikherstellern, mit gefährlich preiswerten Multifunktionsgeräten in eine Abhängigkeit von völlig überteuerten Tintenpatronen lockt. 173
Sie sehen, es sind internationale Konzerne, die den häuslichen Frieden und die persönliche Wohlfahrt bedrohen – nicht mehr der Mitmensch, der samstagmittags seine Straße nicht kehrt. Auch irgendwie eine Form von Fortschritt.
Zumindest ich für meinen Teil habe mich oft gefragt, warum ich schon zahllose Geräte und Programme benutzt habe, um Notizen anzulegen, anstatt sie simpel, lösch- und absturzsicher in ein Moleskine-Notizbuch zu kritzeln. Unzählige Stunden habe ich damit verbracht, Bedienungsanleitungen zu studieren, digitale Ablagesysteme zu verstehen und einzurichten, auf Palms und Tablets herumzudrücken, Daten zu synchronisieren und, besonders beschissen, nach Verlust wieder herzustellen – oft erfolglos.
Jetzt weiß ich, wofür diese Mühe gut war und ist: Man(n) ist beschäftigt und hat dadurch einfach keine Zeit, ernsthaft durchzudrehen. Wäre ich nicht so in meine EDV -Probleme involviert, hätte ich vielleicht schon ein ganz ähnliches Ende gefunden wie, nun ja, Hemingway, der tatsächlich Zeit seines kreativen Lebens simpel, lösch- und absturzsicher in ein Moleskine-Notizbuch gekritzelt hat.
Würde ich nicht ständig versuchen, jeden neuen Web-Trend mitzumachen oder zumindest zu verstehen, hätte ich vielleicht längst meine vor dem Fenster ohne Unterlass laubsaugenden, rasenmähenden, heckenschneidenden, hämmernden, bohrenden, nagelnden oder sonst wie lärmenden Nachbarn mit einer Kettensäge besucht, um deren Gliedmaßen als Dünger auf meinem Gemüsebeet zu verteilen. Stattdessen ärgere ich mich in der Einsamkeit meines Arbeitszimmers über den fehlenden Treiber für das neue Betriebssystem und belege die Programmierer mit tödlichen Flüchen. Das ist gut für mich, gut für meine Nachbarn, aber zugegebenermaßen schlecht für mein Gemüsebeet.
Ansonsten halten sich die massiven durch Technik bedingten Veränderungen des Lebens schwer in Grenzen. Manches ist ein bisschen anders, vieles ist etwas bequemer und fast alles wesentlich schneller geworden, aber letztlich war alles schon mal da. Weder bei Kommunikation oder Fotografie noch bei Konsum oder Information wurde das Rad neu erfunden – es dreht sich nur in beängstigender Geschwindigkeit. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen am Rad drehen oder sogar eins abhaben.
Der netzaffine Albdruck
Ich nehme mich da nicht aus. Ich liebe das Internet. Ich lebe das Internet. Dennoch frage ich mich manchmal, wo das alles noch hinführen soll. Wie sehr mich diese Frage beschäftigt, merke ich besonders dann, wenn ich nach einem durchsurften Tag im Bett liege und während der letzten iPad-Lektüre einschlafe. Wenn dann das Display des Tablets auf meiner Brust ruht und mich eine nie gehörte Musikdatei aus den Tiefen der Festplatte via Kopfhörer in den Schlaf dudelt, formt sich in meinem Unterbewusstsein ein Alptraum, eine dystopische Vision unseres vernetzten Lebens in nicht allzu ferner Zukunft.
In diesem immer gleichen Traum sitze ich zunächst an einem gestengesteuerten, holographischen Computer, neben mir mein erwachsener Sohn, der mir verzweifelt zu erklären versucht, wie ich mit diesem Ding meine E-Mails abrufen kann. Vor mir liegt ein Block, auf dem ich in fast unlesbarer Sauklaue die einzelnen Arbeitsschritte notiere. Mein Sprössling klärt mich darüber auf, dass mittlerweile Google Mail die menschliche
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