Hilfe, die Googles kommen!
ist man ganz klassisch auf den guten, alten Hirnschmalz angewiesen, um sich abstruse Passwörter mit mindestens sechs Zeichen, einem Großbuchstaben und einer Zahl auszudenken und zu behalten.
Login: maxmustermann007
Passwort: IchWerdeIrre0815leckMichfett.
Hinzu kommt, bedingt durch eine Flut von Kunden-, Bank-, Kredit-, SIM - und Bonuskarten, eine unüberschaubare Menge an PIN -Codes und TAN -Zahlenketten, die man sich merken oder zumindest fehlerfrei irgendwo abtippen muss. 171
Auch Webadressen, die sogenannten URL s, werden immer komplizierter und länger. Reichte früher noch ein simples ard.de, um in die Online-Wunderwelt des Ersten Deutschen Fernsehens einzutauchen, gibt es durch die fragmentierte Digitalsenderflut und eine schrumpfende Zahl an verfügbaren Domains demnächst wahrscheinlich auch:
http://www.derdigitalsenderdendieardaufsendeplatzvierhundertneuzigversteckthat.de 172
Bei aller Kritik muss man doch feststellen, dass die digitalisierte Welt Möglichkeiten bietet, die Verstand und Bewusstsein eher erweitern als einschränken.
Gut, dass Bewusstseinserweiterung zuweilen auch einen ziemlich verwirrenden Effekt haben kann, weiß man nicht erst seit dem Song »I am the Walrus« von den Beatles. Immerhin war von da an eines klar: »I am he as you are he as you are me and we are all together«. Ähm … ja! Genauso kann auch der Trip ins Netz statt Klarheit zusätzliche Verwirrung bringen. Aber wo stünden wir heute, wenn die Menschheit nie ihre Komfortzone verlassen hätte? Wahrscheinlich mit der Forke in der Hand auf dem Feld, sauer darüber, dass der König von Deutschland schon wieder neue Steuern auf Vieh, Getreide und Frauen erhoben hat.
Stattdessen können wir über abgeordnetenwatch.de unseren Volksvertretern digital auf die Füße steigen, auf lebegesund.de ein Brot-Abo abschließen und auf secondlife.com sowohl Frauen als auch Männer steuern. Man kann auf bildblog.de erfahren, dass das Land der Dichter und Denker eine Journaille hat, die zuweilen eher dichtet als denkt, und wen das noch nicht ausreichend kognitiv fordert, der kann ein Online-Fernstudium in Zahnmedizin an der Universität von Kuala Lumpur belegen. Kurzum: Das Internet bietet alles, um auch morgen noch kraftvoll zubeißen zu können.
Manchmal muss man sich aber tatsächlich durchbeißen, denn das Netz fordert uns natürlich auch mit all seinen Nullen und Einsen, die uns in ihrer binären Sturheit links und rechts um die Ohren pfeifen. Sicherlich ist der heutige Mensch diesem rasanten Schritt in die Zukunft noch nicht gewachsen. Oft fühlt man sich im Internet wie Kaspar Hauser, den man am New Yorker Times Square ausgesetzt hat. Der würde sich selbstverständlich auch nicht gleich eine Karte für das Musical »Book of Mormon« kaufen und mit großstädtischer Überlegenheit ein Taxi heranwinken. Er würde höchstens bei seiner panischen Flucht vor Lärm und Lichtern von einem Cab angefahren und, auf dem Boden liegend, vom Taxifahrer mit einem freundlichen »Fuck you, you motherfucker!« bedacht werden. Irgendwann sitzt aber auch Herr Hauser im Theater und regt sich über die unverschämten Eintrittspreise auf. Man muss einfach nur dranbleiben.
Der falsche Weg wäre es nämlich, in Angst zu verfallen und zukünftig offline zu leben. Die Vorteile des Netzes sind einfach zu frappierend, als dass man es leichtfertig als gefährliche »Verblödun gsm aschine« abtun könnte. Im Gegenteil: Es sorgt zum Beispiel dafür, dass uns jede weltumstürzende Neuigkeit einfach so erreicht, ohne dass wir konkret danach suchen müssen. Irgendwer wird es schon irgendwo posten, wenn in der Welt die Diktatoren, Börsenwerte und Reissäcke stürzen. Wer online geht, kann sich vor einem Mindestmaß an Information eigentlich nicht schützen. So verhält sich das Internet zum Nutzer wie die Altbau-Dachwohnung zum adipösen Mieter, der mangels Aufzug gezwungen ist, Treppen zu steigen, wenn er Süßigkeiten und Brause an der Tanke kaufen möchte.
Wenn Sie nun sagen »Ich bin weder adipös, noch benötige ich Zwangsinformation«, dann sollten Sie mal darüber nachdenken, ob Sie als schlanker FAZ -Abonnent und Doppelhaus hälftenbesitzer nicht vielleicht in einer ähnlichen Situation sind wie die Schimpansen in den mutmaßlich artgerechten Großgehegen moderner Zoos. Die sind auch intelligent, gesund und obendrein Bewohner eines sicheren, lebensfreundlichen, aber artifiziellen Lebensraums. Und was machen die fiesen Tierpfleger aus dieser
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