Liebe braucht keine Hexerei (German Edition)
Der Sitzstreik
„Ich weiche hier nicht eher von der Stelle, bis Sie mir einen Job geben“, betone ich kampfeslustig und setze mich demonstrativ auf den kalten Fußboden vor diesen kleinen knochigen Mann, der gerade dabei ist, meine Zukunft in nur einer einzigen Minute zu ruinieren.
„Wir haben keinen Bedarf“, war seine vorschnelle Antwort, ohne mich auch nur einmal nach meinen Eignungen gefragt zu haben. Auch wenn ich eigentlich keine nennenswerten Fähigkeiten für die Arbeit auf einem Gutshof mitbringe, so habe ich doch wenigstens das Recht, danach gefragt zu werden.
Ich brauche dringend Arbeit. Andernfalls kann ich meine weiteren Zukunftspläne an den Nagel hängen. Denn Zukunftspläne kosten Geld. So ist das nun mal im Leben. Ich denke nicht daran, so schnell aufzugeben! Schließlich bin ich nicht nach Irland gereist, um ein paar Wochen später wieder zurück nach Schottland zu fahren. Nein, mein Lieber, da hast du die Rechnung nicht mit mir gemacht! Ich, Jennifer Robertson, bin eine Kämpfernatur und wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann gibt’s gewissermaßen keine Hindernisse für mich!
So gesehen gibt es schon hin und wieder Hindernisse, aber ich versuche, sie beharrlich zu überwinden. Na gut, ich will ehrlich sein, die Überwindung von Hindernissen gelingt mir nicht öfter als jedem anderen Menschen, aber zumindest scheue ich mich nicht vor einer ausgiebigen, aber leider nicht selten vergeblichen Kontroverse, gleichwohl mit überzeugenden Argumenten zur Vertretung meines Standpunktes. In diesem Augenblick beispielsweise überzeugt mein Sitzstreik außerordentlich und nervös zappelt der knochige Mann um mich herum.
„Um Himmels willen, so stehen Sie doch wieder auf. Wenn Mr. Barclay Sie so sieht.“
„Ja, was passiert dann, wenn Mr. Barclay mich so sieht? Bekomme ich dann einen Job?“
„Sie können mir glauben, dass Ihnen das nur Ärger einbringt, aber keinen Job.“
„Wissen Sie, das bin ich gewohnt. ‚Ärger‘ ist gewissermaßen mein zweiter Vorname.“
Mir ist natürlich klar, dass Mr. Barclay, auf dessen Anwesen ich mein kleines Sit-in verübe, mich in dieser Sitzposition möglichst nicht vorfinden sollte. Ich kenne ihn nicht weiter, nur seinen Namen. Und seinen fragwürdigen Ruf. Falls an den Gerüchten etwas dran sein sollte, könnte er überaus cholerisch sein. Und auf Schreiattacken bin ich heute nicht eingestellt. Für gewöhnlich bin ich allerdings für solche Fälle gerüstet. Da ich aber neu in dieser Gegend bin und dringend Geld benötige, bröckelt meine Selbstsicherheit ein wenig. Aus diesem Grund wäre ich verbalen Angriffen diesmal schutzlos ausgeliefert. Daher bin ich plötzlich geneigt, „Knochis“ Ermahnungen Folge zu leisten und mich vom Boden zu erheben. Ich sitze ja praktisch inmitten des Innenhofes und habe einen guten Blick auf das prachtvolle Gebäude mit seinen Stallungen und Nebenhäusern. Nicht unwesentlich an diesem Sachverhalt ist, dass man von allen Fenstern sämtlicher Gebäude wiederum gewiss einen ausgezeichneten Blick auf den Innenhof hat. Demzufolge auch auf mich.
„Nun stehen Sie doch endlich auf oder wollen Sie, dass ein Unglück passiert?“, ermahnt mich „Knochi“ erneut.
Was? Könnte es ein noch größeres Unglück geben, als keine Arbeit zu haben?
Rosefield, Mr. Barclays Gehöft, ist das einzige in dieser Gegend und sein gewaltiges Gut gibt über einem Drittel der hier ansässigen Menschen Arbeit. Es ist so gut wie ausgeschlossen, an anderer Stelle nach Arbeit zu fragen. Absolut aussichtslos. Ich muss hier einfach arbeiten. Eine andere Lösung gibt es nicht. Meine gerade bezogene Wohnung und die Schule müssen finanziert werden.
„Mr. ...“ Wie soll ich ihn anreden? „Knochi“ ist sicher nicht sein richtiger Name.
„Mein Name ist Downey“, klärt er mich auf.
„Gut, Mr. Downey, ich flehe Sie an, Ihre Entscheidung noch mal zu überdenken. Es gibt keine Arbeit, die ich nicht bereit wäre anzunehmen. Und ich garantiere Ihnen, dass ich ordentlich und zuverlässig bin.“
In diesem Augenblick kommt Mr. Barclay mit einem Geschäftspartner aus dem Haus und sieht erstaunt zu uns herüber. Oha! Jetzt gibt’s Ärger. Halt dich gut fest, Jenny. Ein Sturmtief kündigt sich an.
„Was ist denn hier los?“, fragt Mr. Barclay unwirsch, nachdem er uns erreicht hat. Sein Geschäftspartner sieht von Weitem zu uns herüber und begibt sich ebenfalls interessiert in unsere Richtung. Auch noch Zeugen. Wie
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