Himmel der Suende
an, und er verachtete sich dafür.
Sein verschleierter Blick fiel neben die fast völlig zerstörte Hochkanzel - auf eine uralte Marienfigur. Sie war aus inzwischen vollkommen vertrocknetem Holz, und die bunten Farben, mit denen sie einstmals bemalt worden war, waren zum größten Teil abgeblättert oder verblasst. Trotzdem sah sie noch immer unschuldig aus ... und unbefleckt. Es war erstaunlich, wie die Legende im Laufe von Jahrtausenden die Wahrheit verdreht hatte.
Dann geschah etwas, das Ashmo’Deush, der General der Dunklen Horden, zunächst für eine optische Täuschung hielt, hervorgerufen durch diese fremdartige Nässe in seinen Augen:
Das Gesicht der Madonna nahm wieder Farbe an. Zweifellos ein Trick, den ihm das durch die geborstenen Kirchenfenster fallende Mondlicht spielte.
Doch als er die Tränen wegblinzelte, merkte er, dass es kein Trick war. Das wunderschöne, jugendlich wirkende Gesicht wurde tatsächlich wieder bunter.
Wenn es nicht die Tränen und das Mondlicht waren, war es vielleicht seine Verzweiflung, die ihm das vorgaukelte? Die Erinnerung daran, wie sehr er sie einmal geliebt hatte? So sehr, dass er die Himmel für sie aufgegeben hatte ...
Oder war es seine Furcht? Die Furcht, dass sie ihn selbst hier finden würde?
Und dann, als das Gesicht nicht nur mehr und mehr Farbe annahm, sondern tatsächlich lebendig wurde und zu lächeln begann, wusste er es: Sie hatte ihn bereits gefunden.
„Hallo, Ashmo’Deush“, sagte Luzifer, während sie aus der Statue heraus feste Gestalt annahm.
Ashmo’Deush schämte sich nicht länger dafür, dass er zu weinen begonnen hatte.
Jetzt schämte er sich dafür, dass er schrie ...
-ENDE-
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