Himmel der Suende
mit der Geschwindigkeit einer Kanonenkugel auf Ani’El zu. Die sprang hoch in die Luft - und nahm ebenfalls eine andere Form an. Die eines schneeweißen Adlers - mit klauenbewehrten Armen und Beinen. Mit einem wilden Aufschrei jagte sie dem roten Tiger entgegen, und ihr Schwert stand plötzlich in hellen Flammen.
Der vierte, weit ausholende Schritt brachte Sergej zum Altar. Er sah die Klingen und Folterinstrumente auf dem Nebentisch, griff noch im Laufen nach einem hackebeilähnlichen Messer und zerschlug der Reihe nach alle vier Ketten, mit denen Man’El gefesselt war.
Man’El sprang auf - und hatte sofort seinen mächtigen Kriegshammer in der Faust. Doch er kam nicht mehr dazu, ihn einzusetzen.
Sergej blickte auf. Axel hatte Theia angesprungen, sie gepackt und schlug gerade seine Zähne in ihren Hals. Theia schrie erstickt auf und versuchte ihn von sich zu reißen. Aber er hing mit seinen Krallen an ihr und ließ sich keinen Millimeter bewegen. Blut floss in Strömen aus der Wunde, und wo immer es Theias Haut berührte, verwandelte sie sich in Stein. Und von dort aus breitete sich der Stein mit einem hässlich knirschenden Geräusch über ihren ganzen Körper aus, bis sie schließlich zur Gänze zu einer vier Meter hohen Statue geworden war und sich nicht mehr bewegte.
Währenddessen sprang Sam’Yaza Ani’El an. Sie empfing ihn mit ihren Klauen, ließ sich nach hinten abrollen und landete nach einer ganzen Drehung der beiden über ihn gebeugt. Das feurige Schwert steckte in seiner Brust. Eine schnelle ruckartige Bewegung, ein hässliches Krachen, und Sam’Yaza sackte tot zu Boden, wo er sogleich in Flammen aufging und binnen Sekundenbruchteilen zu Asche zerfiel.
Und das alles, ehe der frisch befreite Man’El auch nur einen einzigen Schritt machen konnte.
Sergej sah, wie Axel und Ani’El auf die Füße kamen und sich einander zuwandten, während beide wieder menschliche Gestalt annahmen, ohne jedoch ihre Flügel verschwinden zu lassen. Sie musterten einander misstrauisch und wachsam. Keiner nahm die Waffe herunter. Man’El sprang Ani’El zur Seite und brachte seine Waffe in Angriffsposition. Axel ging in Abwehrstellung.
Ohne zu wissen, was zwischen den beiden vorgefallen war, erkannte Sergej in dem Blick, mit dem Ani’El Axel ansah, Zerrissenheit. Sie mochten Feinde sein - aber gerade eben hatte er ihr das Leben gerettet. Und wenn Sergej das richtig verstanden hatte, auch die Festung der Himmel und das Leben vieler anderer. Aber so viel das auch bedeuten mochte, die alte Feindschaft hatte scheinbar noch tiefere Wunden geschlagen, sonst wäre Ani’El nicht so hin und her gerissen.
„Stopp“, rief er daher, so laut er konnte.
Ani’El schaute ihn an, und sein Herz ging auf, als er in ihren Augen las, dass sie ihn tatsächlich, so wie sie es versprochen hatte, noch immer so sehr liebte wie vor ihrer Rückverwandlung.
„Schließt Frieden“, sagte er daher. Es war genug Blut geflossen, und er wollte nicht riskieren, sie in einem Kampf gegen Axel zu verlieren. Nach dem, was er gesehen hatte, war Axel durchaus mächtiger als sie. Vielleicht auch mächtiger als sie und Man’El gemeinsam.
„Aber, Sergej“, sagte Man’El. „Du weißt nicht, worum es geht ... was vorgefallen ist.“
„Und ich will es auch nicht wissen“, rief Sergej. „Ohne ihn wärt ihr jetzt beide tot. Und die Frau, die er liebt, hat ihr Leben für euch riskiert und braucht dringend seine Hilfe.“
„Du weißt nicht, wer sie ist“, sagte Ani’El. „Und welch furchtbare Macht ihr innewohnt.“
„Liebst du mich?“, fragte er sie - nicht weil er zweifelte, sondern um sie durch ihren Blutrausch hindurch daran zu erinnern.
„Über alles“, antwortete sie.
„Und dienst du mir, so wie du es versprochen hast, als Engel ebenso hingebungsvoll, wie du es als Mensch getan hast?“
„Das tue ich“, sagte sie und senkte das Haupt in Demut.
„Dann schließt Frieden und lasst ihn sich um seine Frau kümmern“, sagte Sergej und fügte zur Bekräftigung hinzu: „Mein Wille geschehe!“
Ohne zu zögern, ließ Ani’El ihr Schwert verschwinden - und gleich darauf auch Man’El seinen Hammer. Axel schaute Sergej für einen winzigen Moment lang erstaunt an. Dann ließ auch er seine Waffe verschwinden und eilte zu Maggie hinüber.
Sergej sah, wie er sich über sie beugte und sie heilte. Wenige Sekunden später lag sie, wieder in eine Menschenfrau verwandelt, lächelnd in seinen Armen. Froh, dass Maggie überlebt hatte, ging
Weitere Kostenlose Bücher