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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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erinnernder Hohlraum öffnete sich auf eine Landzunge aus nacktem Fels hinaus, die quer über den Strand hinweg bis ins Meer hineinkroch, an deren zersprungener Oberfläche sich pfeifend und zischend Wellen brachen, Strudel und Wirbel bildeten.
    Sie riss an den Zügeln und bohrte Achilles ihre Absätze in die Flanken, zwang den Wallach scharf zur Seite. Er scheute, als sich vor ihm die raue Erhebung der Felsenzunge aufbaute, doch unerbittlich nötigte Helena ihn vorwärts. Mit zitternden Hufen hievte der Braune seinen gedrungenen Körper hinauf, fand in der Steinkruste Schritt für Schritt Halt, strauchelte und fing sich wieder, schlitterte auf der anderen Seite hinab, ehe er mit einem erleichterten Sprung im Sand landete und in einen fluchtartigen Galopp stolperte.
    Fasziniert hatte der Fremde ihrem Husarenstück zugesehen, ohne Anstalten zu machen, ihr nachzusetzen, verfolgte mit seinem Blick das plumpe Pferd, das in einer Fontäne schweren Sandes auf der anderen Seite des Strandes davonpreschte.
    Mit einem schwer zu deutenden Ausdruck in den Augen wandte er sich zu dem zweiten Reiter um, der wie ein Schatten hinter ihm aufgetaucht war.
    »Ich will wissen, wer sie ist.«
    An diesem Abend rührte Helena stumm und geistesabwesend in ihrer Kohlsuppe, ein Gericht, das sie ohnehin noch nie sonderlich gemocht hatte. Dass Margaret zum Trost für sie alle echten Speck hineingeschnitten hatte – auf ein paar Pennys mehr oder weniger kam es dieser Tage ja nun wohl auch nicht mehr an, hatte sie beschlossen –, bemerkte sie nicht einmal. Margaret warf ihr hin und wieder über den Tisch hinweg einen beunruhigten Blick zu, bezog Helenas heutige Schweigsamkeit aber auf den Besuch des Anwalts und dessen Eröffnung ihrer desolaten finanziellen Lage, und so schwieg sie ebenfalls, weil es nichts gab, was sie dazu Tröstendes hätte sagen können. Nur hin und wieder strich sie liebevoll über den strohblonden Kopf Jasons, dem die Ereignisse der letzten Tage, und die gedrückte Stimmung im Haus sichtlich zu schaffen machten, voller Sorge, was nun aus ihnen werden sollte.
    Helena ging früh zu Bett, doch obwohl ihr Körper schwer war vor Erschöpfung, fand sie keinen Schlaf. Immer wieder betastete sie ihr Handgelenk, das noch immer brannte und schmerzte vom unerbittlichen Griff des Fremden, sah ihn im Geiste immer wieder vor sich, hörte seine Stimme, die etwas in ihr zum Klingen gebracht hatte, für das sie keinen Namen hatte. Endlich glitt sie in einen unruhigen Schlaf hinüber, in dem sie sich an einem Strand wiederfand. Tief hingen die schwarzen Wolken eines herannahenden Sturmes am fahlgrauen Himmel, und erste Windböen ließen das Meer aufkochen, Brecher mit voller Wucht ans Ufer klatschen. Ein Rabe, größer als sie selbst, breitete drohend vor ihr seine Schwingen aus, krächzte: Hab Acht, hab Acht , und seine funkelnden Augen waren die des Fremden.

2
      A n der Küste Cornwalls gab das Meer den Rhythmus vor, und sein Kommen und Gehen war der beständige, beruhigende Herzschlag des Landes und seiner Menschen. Es war ein eigentümlicher Menschenschlag, der hier lebte, bedächtig und bodenständig, geprägt durch das herbe Klima und die raue See. Sie waren den alten Zeiten verbunden, als Cornwall noch keltisch gewesen war, ihre Ahnen waren Schmuggler und Piraten, und noch bis in die jüngste Zeit hinein gab es dem Hörensagen nach Dorfbewohner, die im Sturm gekenterte, an den Felsen zerschellte Schiffe plünderten, manchmal gar Leuchtfeuer auf den Klippen entzündeten, die Segler in die Irre führten, in den sicheren Tod hinein. Tief verwurzelt waren sie im kargen Boden ihres Landes und ein wenig weltfremd; kaum jemand von ihnen war je weiter gereist als bis zum benachbarten Marktflecken oder in die nächstgelegene Stadt. Und die Geschichten, die sie sich an den langen Abenden erzählten, von Elfen und Feen, von Riesen und Rittern, von Druiden und Zauberinnen, schienen mehr Historie denn Mythos oder Märchen.
    Sue Ansell war eine von ihnen, vor rund vierzig Jahren nur zwei Haustüren von dem Laden entfernt geboren, in dem sie nun schon über die Hälfte ihres Lebens verbracht hatte, zwischen Mehl, Zucker, Schuhwichse, Nähgarn und all den anderen Dingen des täglichen Lebens, die wenigen Briefe und Pakete, die das Dorf erreichten oder verließen, eingeschlossen. Ihren George hatte sie schon gekannt, ehe sie laufen konnte, und ihn in St. Stephen’s, auf einem kleinen Hügel vor der Stadt gelegen, geehelicht.
    In den engen

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