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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Luxusgüter. Während ihre Väter und Großväter noch missbilligende Blicke unter erhobenen Augenbrauen warfen, zogen die Söhne der Lords, Barons und Bankiers abends in ihren Salons und Clubs genüsslich an dem in seiner Papierhülle glimmenden Tabak, der so à la mode war. Wer es sich leisten konnte, umgab sich sogar mit einem Hauch von Exotik, wenn er Zigaretten rauchte, die aus den Manufakturen von Kairo stammten.
    »Ich hatte Glück«, fuhr der Bedienstete des Fremden fort, »und traf diesen Anwalt noch im Pub an. Er war gerade im Begriff, wieder abzureisen, schien es gar nicht erwarten zu können, von hier fortzukommen. Ich konnte ihn jedoch überreden, noch ein, zwei Stunden zu bleiben und mir Gesellschaft zu leisten.«
    Sein Gegenüber grinste und steckte sich eine neue Zigarette an. »Ich nehme an, deine Argumente waren einige Pfund schwer.«
    Der Orientale schnaubte, dass seine Nasenflügel über dem graumelierten Bart verächtlich bebten.
    »Die Loyalität gegenüber seinen Mandanten war diesem schmierigen kleinen Winkeladvokaten jedenfalls nicht allzu viel wert!«
    Seine Worte ließen aus dem gegenüberliegenden Sessel ein Lachen ertönen.
    »Ich bin immer wieder erstaunt, wie gut du die Feinheiten des Englischen beherrschst, Mohan!«
    Wäre jemand aus dem Haus unbemerkt Zeuge dieser Unterhaltung gewesen – er hätte sich über die Vertrautheit der beiden gewundert, die so gar nicht den Gepflogenheiten zwischen Herrschaft und Bediensteten entsprach. Doch es gab niemanden, der darüber erstaunt sein konnte, denn sie war allein auf die Momente beschränkt, in denen sie sich gänzlich unter vier Augen wussten, ehe sie wieder in die Rollen zurückfielen, die sie in der Gesellschaft spielten.
    »Ich ziehe es vor, die Dinge beim Namen zu nennen«, kam prompt die Antwort, von einem Augenzwinkern unterstrichen, ehe Mohans Gesicht mit der braunen Haut wieder ernst wurde.
    Aus dem Gedächtnis zitierte er die Zahlen, die ihm Edward Wilson genannt hatte, umriss die Familiengeschichte der Lawrences, berichtete von dem Beschluss, Helena und ihren Bruder in die Obhut ihres Vormunds zu geben, und fügte abschließend hinzu: »Die Anleihe für das Haus und die paar Quadratmeter Fels, auf denen es steht, läuft übrigens auf den Namen unseres geschätzten Gastgebers Sir Henry Claydon. Es gehört ihm also schon praktisch, wenn es auch ein schlechtes Geschäft war: Die Summe ist bei weitem höher als der tatsächliche Gegenwert.«
    »Und ich nehme an, mehr als die trauernden Hinterbliebenen aufzubringen imstande sind?«
    Mohan nickte bestätigend. Eine kleine Pause trat ein, in der der Fremde nachdenklich mit zusammengekniffenen Augen dem Zigarettenrauch nachsah.
    »Was hast du vor?«, fragte sein Bediensteter schließlich. »Zu welchem Zweck sollte ich dir all diese Informationen beschaffen?«
    Der andere beugte sich vor und drückte die Zigarette in einem Aschenbecher aus Kristall aus.
    »Was du erzählt hast, scheint wieder einmal meine Überzeugung zu bestätigen, dass nahezu alles käuflich ist«, sagte er leise, mehr wie zu sich selbst, ehe er sich wieder aufrichtete. Mit der Spitze seines blank geputzten Stiefels zog er den vor dem Kamin mit seinem knisternden Feuer stehenden Hocker ein Stück heran und legte die Füße auf das Polster, einen nach dem anderen. Er lehnte sich im Sessel zurück, die gebräunten schlanken Hände entspannt auf den Armlehnen ruhen lassend, und sah Mohan mit einem Glitzern in den Augen an.
    »Was glaubst du – wie hoch wird der Preis unserer kleinen Wildkatze vom Strand sein?«
    Mohans dichte Augenbrauen zogen sich zusammen. »Was hast du vor?«
    »Ich weiß es noch nicht.« Sein Gegenüber zuckte leicht mit den Schultern und legte den Kopf zurück auf die Lehne, betrachtete ebenso nachdenklich wie vergnügt die Stuckgirlanden, die sich über die Decke zogen, scheinbar unbeeindruckt von den dunklen Augen, die ihn kritisch musterten, als ahnten sie, was hinter seiner Stirn vor sich ging. »Vielleicht heirate ich sie.«
    »Das ist nicht dein Ernst.«
    »Weshalb nicht?« Sein Herr streifte den Orientalen mit einem amüsierten Blick.
    »Das ist kein Spiel, Ian!« Mohans Stimme mit dem leichten, fremdländischen Akzent blieb leise, und dennoch war sie bestimmt, fast drohend.
    »Dann mache ich es zu einem.« Ian richtete seinen Blick wieder auf Mohan und setzte hart hinzu: »Oder glaubst du, du könntest mich daran hindern?«
    Dieser schüttelte den Kopf, halb verärgert, halb betrübt. »Ich

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