Jane's Journey: Die Lebensreise der Jane Goodall
Vorwort
von Michael Aufhauser
Es gibt solche Reisen, bei denen einfach alles schiefgeht und zum Schluss nicht einmal das Gepäck ankommt. Als Jane Goodall 2007 nach Salzburg kam, um einen Vortrag zu halten, hatte sie eine solche Irrfahrt hinter sich und stand nach einem Tag, der unendlich lang für sie war, mit leeren Händen da.
Wir hatten uns noch zu einem kurzen Gespräch getroffen, und als ich schon längst wieder zu Hause war und über Jane Goodall und den Abend nachdachte, fiel mir etwas ganz Triviales ein: die praktische Frage nämlich, wie sie wohl die Nacht in Salzburg ohne ihr Gepäck verbringen würde? Um Mitternacht bat ich einen Angestellten, ihr ein Notpaket im Hotel vorbeizubringen, mit einer Auswahl an T-Shirts. Seither sind wir innige Freunde und wir trafen uns wieder.
Einmal saßen wir gemütlich auf der Schweinewiese auf Gut Aiderbichl, auf der sich einige Dutzend gerettete Pietrain- Schweine aufhielten, denen durch die Gier der Menschen zusätzliche Rippen angezüchtet wurden. Es war, als wären wir alle zu einem gemeinsamen Picknick verabredet, wir und die Schweine. Für Jane Goodall alles Begegnungen auf Augenhöhe, egal ob mit Menschen oder Tieren. So war es offenbar ein Leben lang.
Auch zum Glück für die Schimpansen, die in den 60er-Jahren die Menschheit nicht wirklich interessierten. Jane Goodalls Beobachtungen, Begegnungen, ihre Interpretationen, waren die größte Chance unserer Verwandten, bis heute. Wir alle kennen Jane Goodalls Erlebnisse, und wenn sie die Namen ihrer freilebenden Schimpansen nennt, sind wir im Bilde: Persönlichkeiten, ausgestattet mit charakterlichen Eigenschaften, sie könnten auch Menschen sein. So einfach ist das bei der »Lebenserforscherin «, die in der Liste ihrer Mentoren auch ihren Hund Rusty nennt.
Ein bedeutender Moment in meinem Leben war die Entscheidung, 40 Ex-Laborschimpansen und vier Tieraffen in den Verbund der Aiderbichler Lebenshöfe aufzunehmen. Pessimisten warnten mich, dass mich dieses Projekt überfordern würde. Jane Goodall riet mir zu und sah kein Problem darin, dass ich kein Schimpansen-Experte bin. Eine Warnung allerdings, war ihr wichtig: »Du lebst mit 1700 geretteten Tieren. Ihre Welt ist trotz des Leides, das sie ertragen mussten, jenseits von Gut und Böse. Schimpansen aber sind den Menschen ganz nahe verwandt und somit auch unberechenbar. Sei nicht enttäuscht, wenn du das herausfindest.«
Jeder kann sich vorstellen, wie groß für mich die Bedeutung des Films »Jane’s Journey« und des von Gerda Melchior und Volker Schütz eigens dazu geschriebenen Buches ist. Ich lerne nachträglich entscheidende Momente im Leben von Jane Goodall kennen. Der Regisseur des Films, Lorenz Knauer, hat so gedreht und geschnitten, als hätte man all das, was sie zur größten Botschafterin einer gesamtheitlichen Humanität in unseren Zeiten macht, persönlich miterlebt. Ein wichtiger Schlüssel, nicht nur zu ihr, sondern zur Wahrnehmung der Welt, getragen von der glaubwürdigen Hoffnung, auch in scheinbar ausweglosen Situationen immer Lösungen finden zu können. Resignation ausgeschlossen.
Wer Jane Goodall genau zuhört, versteht manchmal erst bei genauerem Nachdenken die Tragweite ihres Vortrags. Sie liebt Schimpansen. Also liebt sie auch Menschen. Oder umgekehrt. Die Reihenfolge spielt bei ihr keine Rolle. Es geht um die Achtung jeden Lebens und der Natur.
Sie spricht ruhig und scheinbar gelassen. Auch das gehört zu ihr. Sie verzichtet, selbst wenn sie müde sein müsste, auf Routine oder Stereotypen. Ich habe sie in »Jane’s Journey« zwar neu entdeckt, aber zugleich wiedergefunden. Sich treu geblieben ein Leben lang.
Es ist auch mein persönliches Lebensziel, das Verhältnis zwischen Mensch und Tier zu verbessern, Leid zu mindern und ein gemeinsames Zusammenleben zu ermöglichen. Mit dem Film »Jane’s Journey« und dem hautnahen Kontakt zu einem weltweiten Großprojekt und seinem ermutigenden Erfolg fällt mir meine Arbeit entschieden leichter.
Kapitel 1
Über Nacht ist wie ein Vorbote des nahenden Winters der erste Schnee gefallen und hat das alte, im viktorianischen Stil erbaute Backsteinhaus und seinen Garten mit den vielen Steinfiguren mit einer dünnen weißen Schicht überzogen. Alle Zimmer des Hauses sind dunkel, nur ganz oben, im Giebel, dringt durch ein kleines Fenster ein gemütliches Licht heraus und lässt eine Silhouette erkennen, die sich hinter der erleuchteten Scheibe bewegt.
Über Nacht ist wie ein Vorbote des
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