Himmel ueber Falludscha
leuchtete ich mit der Taschenlampe auf den Inhalt. Es waren blaue Röhren, knapp zehn Zentimeter lang, aus denen an einem Ende zwei Drähte herausragten. Eine schnelle Schätzung sagte mir, dass in der Kiste mindestens hundert Stück davon waren.
»Sieht aus wie Zünder«, sagte ich.
»Bringen Sie die in den Wagen«, befahl Coles.
Die drei Kisten konnte ich leicht auf einmal tragen. Ich war froh, weggehen zu können. Ich brachte die Kisten in das Fahrzeug, mit dem ich hergekommen war. Als ich mich umwandte, waren Coles und Miller fast bei mir. Hinter ihnen sah ich, wie die Kinder in der Dunkelheit verschwanden. Ich hörte einen der Iraker etwas sagen und sah, wie sich die Kinder schnell duckten.
»Die Kinder sind …«
Ich hatte keine Zeit, den Satz zu vollenden, bevor die ersten Schüsse erklangen. Das Mündungsfeuer der Kalaschnikow beleuchtete die Gestalt einen kurzen Moment und ich konnte sehen, wie der Kerl nach rechts abtauchte.
»Die Kinder!«, schrie Miller.
Hinter mir hörte ich das Gegenfeuer von Roberts’ Leuten.
»Weg hier! Weg hier!«, rief Coles.
Von unserer Seite der Straße erklang Maschinengewehrfeuer und knapp neben der Stelle, an der die Iraker eben noch gestanden waren, ging ein Sprengsatz hoch. Dann entstand plötzlich eine schreckliche Stille.
»Aufsitzen! Aufsitzen!«, befahl Coles mit scharfer Stimme.
Als wir in die Fahrzeuge kletterten, hörten wir ein neues Geräusch. Es war eines der Kinder. Es weinte.
»Ein Kind ist verletzt!«, rief Miller.
»Lasst es!« Das kam von Coles.
Ich konnte das Kind sehen. Es war der blinde Junge, der mit erhobenen Händen in der Dunkelheit umhertastete. Dann sah ich eine Gestalt – es war Jonesy – auf ihn zulaufen.
»Jonesy ist da draußen!«, schrie ich.
Geduckt lief ich zu ihnen. Jonesy hatte den Jungen um die Brust gefasst und schützte dessen Körper mit seinem eigenen.
»Weg hier! Weg hier!«, rief einer von Roberts’ Männern.
Einen Augenblick verlor ich Jonesy aus den Augen. Dann sah ich ihn in die Knie gehen.
»Bleib unten!«, schrie ich. »Unten bleiben!«
Ich spürte einen scharfen Schmerz und mein Fuß knickte unter mir weg. Links von mir schlugen noch mehr Kugeln in den Boden ein. Ich schoss ins Dunkel zurück.
Dann erhellte plötzlich eine Explosion etwa fünfzig Meter vor mir den nächtlichen Himmel. Die Druckwelle schleuderte mich zu Boden. Dann wurde ich hochgezogen. Ich sah auf und erblickte Gambarelli, die Augen geradeaus gerichtet und mit ausgestrecktem Arm immer wieder die Pistole auf die Stelle abfeuernd, wo die Explosion gewesen war.
Halb ging ich, halb wurde ich zum Fahrzeug gezogen und kroch hinein. Marla saß am Steuer und wendete den Wagen, sobald die Tür zu war.
»Wo ist Jonesy?«
»Sie bringen ihn zum anderen Wagen«, antwortete sie. »Er ist getroffen. Er ist getroffen!«
Ich lag über dem Rücksitz des Geländewagens, als wir auf der Straße beschleunigen. Mit Marla am Steuer folgten wir dem ersten Wagen dicht hinter der Stoßstange. Zwanzig Sekunden weiter sahen wir die übrigen von Roberts’ Männern in Geländewagen und Humvees an der Straße stehen. Ich warf einen Blick in den Rückspiegel. Es folgten uns keine Lichter.
Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis wir das Lager erreichten. Überall wurden Fackeln angezündet und Männer liefen mit Gewehren herum, während Roberts eine Art Verteidigungslinie aufbaute.
Ich stolperte durch das Durcheinander, auf der Suche nach Jonesy. Dann sah ich, wie zwei Männer jemanden in eine der Hütten trugen. Miller lief an uns vorbei zu ihm.
Als ich ankam, legten sie ihn auf den Boden. Jonesys Augen waren offen und eine Hand war an seinem Nacken, als wolle er etwas fortwischen. Ich sah sein Blut stoßweise ausströmen.
»Verschafft ihm etwas Luft!« Miller kniete neben ihm und schnitt seine Uniform auf. »Er braucht Luft!«
Ich humpelte nach draußen und versuchte durchzuatmen. Ein brennender Schmerz durchzog mein linkes Bein. Am Himmel waren Streifen vom ersten Schimmer des Morgenlichts zu sehen. Was sollte ich tun? Wohin sollte ich schauen? Was sollte ich denken? Es war so lange her, dass ich gebetet hatte, so lange.
Lieber Gott, bitte lass ihn nicht sterben! Bitte lass ihn nicht sterben. Oh Gott, bitte lass ihn nicht sterben. Bitte! Oh, Mann! Lieber Gott, bitte lass ihn nicht sterben! Nicht Jonesy, lieber Gott. Bitte!
Ich setzte mich auf einen Stapel Sandsäcke und merkte
erst jetzt, wie müde ich war. Um mich herum herrschte hektische Aktivität und ich
Weitere Kostenlose Bücher