Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
Vom Netzwerk:
glaubte er in dem jungen Mann in Kadettenuniform seinen Sohn Hans zu erkennen. In diesem Augenblick zog der Kadett das Mädchen an sich, und ihr leidenschaftlicher Kuss dauerte lange an.
    Meindorff kniff die Augen zusammen und musterte die mollige Gestalt des Mädchens, es gelang ihm jedoch nicht, sie einer ihm bekannten Familie zuzuordnen. Er verfolgte das Paar mit den Augen, als es händchenhaltend den Spazierweg zwischen den Wiesen und Bäumen in Richtung Stadt entlangschlenderte.
    Dass die Jungspunde ihre Liebschaften unterhielten, war nichts Ungewöhnliches. Dennoch gebot es der Anstand, sich nicht mit ihnen an öffentlichen Orten zu zeigen. Er konnte nur hoffen, dass Hans bedachtsam genug vorgegangen und nicht mitten über den Sandstrand des Bades spaziert war.
    Meindorff knöpfte sich beim nächsten kräftigen Windstoß sein Jackett zu und plante in Gedanken ein eindringliches Gespräch mit seinem Sohn. Er musste ihm nochmals deutlich vor Augen halten, dass Eltern junger Damen Vorbehalte hegten, diese mit allzu leichtfertigen Männern zu vermählen. Immerhin hatte er für Hans bereits die ersten Fäden zu einer gewinnbringenden Verbindung geknüpft.
    ***
    Arthur Conan Doyles The Hound of the Baskervilles lag unbeachtet auf dem dunklen Holzboden des Pavillons. Zwischen den Weinranken vor den Fensterdurchlässen stahlen sich die Sonnenstrahlen in das Innere des runden Gartenhäuschens und tauchte dieses in ein sanftes Ambiente. Eine Biene summte herein, drehte eine Runde und verschwand durch den Eingang wieder im gleißenden Sonnenlicht, wo die Vögel lautstark mit den Grillen um die Wette sangen.
    Dieser Nachmittag konnte durchaus idyllisch genannt werden, wenngleich die ausgewählte Lektüre des Lesezirkels eher mörderischer Natur war. Aber diese lag ja ohnehin geschmäht von den sechs anwesenden Damen auf dem Boden.
    Als wenig friedlich hingegen empfand Demy die zunehmend hitzige Diskussion zwischen Lina und Lieselotte. Lina, von dem Überfall vor zwei Wochen noch immer stark beeinflusst, hatte ihre Idee gleich in die Tat umgesetzt. Mithilfe ihres Vaters war ein Spendenfonds eingerichtet worden und sie war mittlerweile eifrig dabei, den Damen ihres breit gefächerten Bekanntenkreises die Wichtigkeit ihrer Idee anzupreisen. Im ersten Überschwang ihrer Gefühle hatte sie, wie sie es nannte, »Prominenz rekrutieren« wollen, erhielt jedoch einige empfindliche Abfuhren. Schließlich war sie mit Gertrud Bäumer, der Vertrauten Helene Langes, in Kontakt gekommen. Randvoll mit neuen Eindrücken hatte Lina beim heutigen Treffen des Lesezirkels von den Erfolgen und weitreichenden Zielen der beiden Frauenrechtlerinnen erzählt und damit Lieselottes Unwillen auf sich gezogen. Das Mädchen aus dem Scheunenviertel war von der rundum verlaufenden Holzbank aufgesprungen und hatte sich im Eingang postiert. Sie kam zu den Treffen nur dann, wenn sie sich sicher sein konnte, dass außer Demy und den beiden ihr bereits bekannten Damen keine andere Besucherin anwesend war, oder aber, wenn wie an diesem Tag ein Treffen in einem unverfänglichen Rahmen stattfand.
    »Was bringt es uns Frauen, wenn wir für ein Recht auf gleichwertige Bildung, auf ein ebenbürtiges Studium und ein einheitliches Arbeitsumfeld streiten, nur um das Erkämpfte dann wieder fahren zu lassen, sobald wir heiraten?«
    »Es bringt uns dahingehend etwas, Lieselotte, als wir endlich nicht mehr als Menschen zweiter Klasse angesehen und behandelt werden. Oder aber im Falle einer Scheidung. Denn bisher sind geschiedene Frauen unweigerlich in Schande und Armut abgerutscht. Nun kann eine Geschiedene in ihrem erlernten Beruf arbeiten und für ihre Kinder sorgen.«
    »Da aber liegt doch genau der Fehler«, begehrte Lieselotte auf. »Die Kinder bleiben die Sorge der Frau. Wir Frauen sollen alle Rechte, alle Privilegien, selbst jeden Pfennig aufgeben, um Kinder zu bekommen und zu erziehen.«
    Lina lachte unbekümmert auf, was Lieselotte die Zornesröte ins Gesicht trieb. »Wir können uns noch so kämpferisch nach Unabhängigkeit und Gleichberechtigung ausstrecken, liebe Lieselotte, eines werden wir niemals ändern: Wir Frauen sind es nun einmal, die die Kinder gebären.«
    »Aber die Versorgung und die Erziehungsarbeit kann man aus der Hand der Frauen nehmen. Staatliche Einrichtungen könnten das übernehmen!«
    Lina warf ihrer Diskussionspartnerin einen entsetzen Blick zu, kam aber nicht zu Wort.
    »Genau das ist es, was unsere proletarische Frauenbewegung von der

Weitere Kostenlose Bücher