Himmel ueber fremdem Land
schwarzen Waisenkindern aufgegeben. Aber vermutlich lag es ihr näher, sich um ihresgleichen zu kümmern, statt Weißen zu Diensten zu sein.
Der Sozialdemokrat in ihm fühlte Stolz über ihre Entscheidung, doch dieser verflog rasch. Er hatte sich diesem fast radikal zu nennenden Zweig der Vereinigung in Magdeburg doch nur angeschlossen, da er sich in der großen Politik wie ein unwichtiges Rädchen im Getriebe fühlte und niemals etwas von dem Reichtum sehen würde, den sich eine kleine Elite in Deutschland angehäuft hatte. Auch er strebte nach Geld und Macht, doch Udako dachte anscheinend nicht wie er, sonst hätte sie wohl kaum ihre Chance auf ein angenehmes Leben so leichtfertig aufgegeben. Oder hing ihre Entscheidung etwa doch mit Leutnant Meindorff zusammen?
Karl hatte den Leutnant vor seinem Urlaubsantritt auffällig oft in ihrer Nähe gesehen und beobachten müssen, wie sie ihn anlächelte, obwohl sie in der Öffentlichkeit einen gesitteten Abstand zueinander einhielten. Vermutlich kam Meindorff die Abgeschiedenheit der Missionsstation gerade recht, um mit Udako anzubändeln. Das war einer der Gründe für seinen unüberlegten Angriff auf den Kerl in Magdeburg. Die großspurige Überheblichkeit des Offiziers bereitete ihm zunehmend mehr Schwierigkeiten.
Sein Hass auf diesen Mann, dem von Kindesbeinen an alles in den Schoß gefallen war, wurde seit Jahren genährt und loderte in diesem Augenblick wieder einmal lichterloh auf. Roth begann zu schwitzen, ballte die Hände zu Fäusten und fluchte unterdrückt vor sich hin. Er sehnte sich von Monat zu Monat brennender danach, diese Ungerechtigkeit endlich zu sühnen und den verhassten Mann leiden zu sehen. Mühsam kämpfte er den Zorn in seinem Inneren nieder wie ein Monster, das er zurück in seine Höhle sperrte, bis es das nächste Mal erwachte und ans Tageslicht drängte. Er ließ seinen Unterkiefer mit einem hörbaren Knacken und vor Schmerz verzerrtem Gesicht wieder einrasten. Wenn er es erst einmal zu etwas gebracht hatte – und dieser Tag war nicht mehr fern –, würde man auch ihm endlich Beachtung schenken. Und dann würde er Udako für sich beanspruchen. Er würde sie von Dienstmädchen umsorgen lassen und wenn sie wollte, konnte sie ein paar schwarze Waisenkinder in einem kleinen Häuschen auf seinem Grundstück unterbringen.
Karl wartete ungeduldig, während der leichte Wind den rötlich-braunen Sand durch die Straße wirbelte. Zwei Frauen, die ihr Haar mit Hauben vor Wind und Sand geschützt hatten, traten aus dem Laden, die wehenden Röcke leicht mit einer Hand gerafft, Körbe in der anderen. Auf der Straße marschierten frisch in Windhuk stationierte Rekruten in nicht ganz akkurater Reihe an ihm vorbei und er grüßte den sie lautstark antreibenden weißen Unteroffizier.
Endlich öffnete sich die Tür des Hauses, das er nicht aus den Augen gelassen hatte, und Udako trat heraus. Sie stellte eine Kiste auf den hölzernen Verandavorbau und wandte sich um, damit sie die Tür schließen konnte.
Karl schnallte den schwarzen Gürtel seiner beigen Uniform enger, bevor er über die Straße hastete. In dem Moment, als Udako sich nach der Lebensmittelkiste bückte, betrat er mit festem Schritt die Holzplanken, und sie wandte sich zu ihm um.
Das afrikanische Mädchen war nicht groß; ein Vorteil, da er ebenfalls nicht mit stattlicher Größe aufwarten konnte. Er richtete sich kerzengerade auf, erinnerte sich selbst daran, seinen leider etwas unansehnlichen Bauch einzuziehen, und grüßte militärisch zackig.
»Fräulein Udako, lass mich dir helfen«, presste er mit angehaltenem Atem hervor.
»Das ist sehr nett von Ihnen, Obergefreiter Roth.« Udakos Lächeln ließ Karls Knie weich werden. Eine Reihe ebenmäßiger weißer Zähne zeigte sich hinter ihren vollen Lippen. Sofort überkam ihn das Verlangen, seinen Mund auf ihren zu pressen. Er musste schleunigst zu Geld kommen, um dieses wunderbare Geschöpf endlich für sich zu gewinnen!
»Haben Sie denn keine anderen Verpflichtungen?«, fragte Udako in ihrem afrikanisch eingefärbten Deutsch freundlich nach.
Beinahe hätte er erwidert, es gäbe für ihn keine andere Verpflichtung, als sie zu beglücken, doch er beherrschte sich und erwiderte: »Im Moment nicht. Und ich kann dich unmöglich die schwere Kiste bis zum Wagen schleppen lassen.«
Ihr strahlendes Lächeln berauschte ihn. Er trug die Kiste die Straße hinunter bis zu dem Transportkarren, der der Missionsstation gehörte. Die davor
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