Wuschsch! ... Watschsch!
Jules Verne
Wuschsch! ... Watschsch!
Mit 2 Illustrationen von George Roux
Titel der Originalausgabe:
Frritt-Flacc (Paris 1884/85)
Nach zeitgenössischen Übersetzungen
überarbeitet von Günter Jürgensmeier
I
Wuschsch! ... das ist der Wind, der heulend dahinfegt.
Watschsch! ... das der Regen, der in Strömen herab-
stürzt.
Dies greulich wütende Wetter krümmt die Bäume an der
volsinischen Küste nieder, und der Sturm prallt mit Gewalt
an die Bergwände von Crimma. Die hohen Felsgebilde der
Küste werden unaufhörlich benagt von den Wogen des wei-
ten Megalocride-Meeres.
Wuschsch! ... Watschsch!
Im Hintergrund des Hafens versteckt liegt die kleine Stadt
Luktrop – einige hundert Häuser mit grünlichen Jalousien,
die sie mehr oder weniger gegen den Wind von der See-
seite schützen. Sie zählt vier bis fünf bergige Straßen – mehr
Schluchten als Straßen –, die mit Strandkieseln bepflastert
und zum Teil mit Schlacken aus einigen Eruptionskegeln
wenig landeinwärts bedeckt sind. Der betreffende Vulkan,
der Vanglor, erhebt sich nur unweit von hier. Während des
Tages äußert sich der in seinem Inneren herrschende Druck
durch das Emporwirbeln schwefliger Dunstmassen. Wäh-
rend der Nacht schlagen im Minutentakt lange, lohende
Flammen in die Höhe. Wie ein Leuchtturm, dessen Licht
150 Kertses weit hinausstrahlt, bezeichnet der Vanglor den
Küstenfahrern, den Felzanen, Verlichen oder Balanzen, de-
ren Kiel die Gewässer des Megalocride-Meeres pflügt, die
Lage des Hafens von Luktrop.
Auf der anderen Seite der Stadt starren noch einzelne
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Ruinen aus der crimmaischen Epoche empor. Dort erhebt
sich auch eine Vorstadt von fast arabischem Aussehen, mit
einer Art Kasbah, weißen Mauern, runden Dächern und
sonnendurchglühten Terrassen. Es ist eine Anhäufung
blindlings hingeworfener Steinquader, ein richtiger Hau-
fen von Würfeln, wie sie zum Spielen dienen, deren Augen
durch die Patina der Zeit verwischt wären.
Unter anderm sieht man das »Sechs-Vier«, ein Name,
den die Leute einem wunderlichen Bauwerk mit vierecki-
gem Dach gegeben haben, das an der einen Front sechs, an
der anderen vier Öffnungen zeigt.
Ein viereckiger Glockenturm überragt die Stadt, der
Turm der Sainte-Philfilène-Kirche, deren Glocken in Mau-
erspalten aufgehängt sind, so daß der Orkan sie in Schwin-
gung versetzen kann. Das ist immer ein schlimmes Vor-
zeichen, und wenn es geschieht, dann hat man Furcht im
Land.
Das ist Luktrop. Daneben gibt es auf dem Land ver-
streute Wohnstätten, eigentlich nur elende Hütten, inmit-
ten von Ginstergestrüpp und Heidekrautflächen – etwa wie
in der Bretagne. Doch wir sind nicht in der Bretagne. Sind
wir in Frankreich? – Das weiß ich nicht. – In Europa? – Das
kann ich nicht sagen.
Jedenfalls suche man Luktrop auf keiner Landkarte –
nicht einmal im großen Stieler.
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II
Wummm! – An der links an der Ecke der Messaglière-
Straße gelegenen Tür des Sechs-Vier-Hauses ertönte be-
scheidenes Klopfen. Es ist eines der vornehmsten Häuser,
wenn man von einem solchen in Luktrop dieses Wort ge-
brauchen kann, und eines der reichsten, wenn der Umstand,
jahraus jahrein einige Tausend Fretzer zusammenzuraffen,
Reichtum genannt werden kann.
Auf dieses Klopfen antwortete ein wütendes, mit Geheul
vermischtes Bellen, als rührte es von einem Wolf her. Dann
öffnete sich ein Schiebfenster über der Tür des Sechs-Vier-
Hauses.
»Zum Teufel mit dem Störenfried!« rief eine unange-
nehme, brummige Stimme.
Ein vom Regen fröstelndes und mit einem schlechten
Mantel bekleidetes Mädchen fragte, ob Dr. Trifulgas zu
Hause sei.
»Er ist da oder nicht – das kommt drauf an.«
»Ich komme wegen meines Vaters, der im Sterben
liegt.«
»Wo stirbt er denn?«
»Da, in der Richtung des Karniu-Tals, 4 Kertses von
hier.«
»Und er heißt?«
»Vort Kartif.«
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III
Er ist ein hartherziger Mann, dieser Dr. Trifulgas, der
keine Anteilnahme kennt und seine Hilfe nur gegen Vor-
ausbezahlung gewährt. Sein alter Hurzof, ein Bastard aus
Bulldogge und Spaniel, besaß vielleicht mehr Herz als er.
Das für arme Leute ungastliche Sechs-Vier-Haus öffnete
sich nur den Wohlhabenden und Reichen. Hier ging übri-
gens alles nach einem festen Tarif, so viel bei Typhus, so
viel bei einem Schlaganfall und so viel bei einer Herzbeutel-
entzündung, und ebenso für die anderen Krankheiten, die
die Ärzte ja
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