Himmel ueber fremdem Land
reizenden Besuch der drei Damen und geleitete sie bis vor die Tür des Restaurants, wo sie erneut der laute Sonntagstrubel Berlins empfing.
»Also, Demy. Führe uns ein in eines deiner vielen, spannenden Geheimnisse«, forderte Lina sie auf, ihr Angebot wahrzumachen.
Margarete, mit einem klemmenden Schiebeverschluss ihres geblümten Sonnenschirms kämpfend, legte ihre behandschuhte Hand auf Demys Arm. »Sollen wir das wahrhaftig wagen? Du bist doch in dieser Gegend überfallen worden.«
»Und du auf dem Kurfürstendamm. Ich denke es tut nichts zur Sache, in welchem Gefilde wir weiteren Dieben und schwangeren Frauen begegnen«, meinte Lina gut gelaunt.
Demy wollte Lieselotte gern wiedersehen und vor allem einmal ein Treffen zwischen ihren unterschiedlichen Freundinnen arrangieren, daher lächelte sie der ängstlichen jungen Frau beruhigend zu. »Ich denke nicht, dass ein Ausflug ins Scheunenviertel am helllichten Tag gefährlich ist. Aber wir müssen das nicht tun. Nicht, wenn du es nicht willst.«
Nach einem Blick auf die freudig erregte Lina zuckte Margarete, wenn auch noch immer zögernd, mit ihren von erlesener Baumwolle und fein geklöppelter Spitze eingehüllten Schultern. »Ich wollte doch einmal ein richtiges Abenteuer erleben, nicht immer nur in gedruckter Form. Vielleicht fange ich mit einem harmlosen Besuch im Scheunenviertel an?«
»Das ist ein Wort!«, lachte Lina, verbeugte sich und zog einen imaginären Hut, während die Federn an ihrem richtigen Kopfputz den Rock Margaretes berührten. »Lasst uns die Welt der Abenteuer, der dunklen Gassen und geheimnisumwitterten Häuser jenseits des ehrenwerten Schlosses erkunden!«, sagte sie dramatisch betont.
Ihre Begleiterinnen prusteten los, und Margarete gab es auf, ihren Sonnenschirm aufspannen zu wollen. Stattdessen hakte sie sich bei Demy unter. Lina, deren Augen noch unternehmungslustiger blitzten als die der Niederländerin, schob ihrerseits ihren Arm unter den freien Arm Demys. Fröhlich schritten die drei jungen Damen aus. Ihre weißen Rocksäume wirbelten um ihre Beine, die aufgedrehten Haare wippten unter den großen runden Hüten munter im Takt ihrer Schritte, und die beiden außen gehenden Mädchen schwangen ihre Sonnenschirme.
So manch ein Passant drehte sich nach ihnen um, wobei Lina und Margarete immer wieder grüßend einem Bekannten zunickten.
»Unauffällig sind wir nicht gerade«, murmelte Demy, was ein Kichern von Lina auslöste.
Die drei Mädchen überquerten die Schlossbrücke und tauchten Minuten später in die kleinen Straßen und Gässchen des Scheunenviertels ein. Mit neugierigen, alles in sich aufsaugenden Blicken schritten Lina und Margarete voran.
»Ich habe es mir schlimmer vorgestellt«, wisperte Margarete. Die Art, wie sie den Sonnenschirm umklammerte, und der Druck ihrer Hand auf Demys Arm zeigten jedoch überdeutlich ihre ängstlichen Vorbehalte.
»Die Häuser sind ganz annehmbar. Ich dachte, die Leute wohnen wirklich in alten Scheunen«, bemerkte eine deutlich weniger beeindruckte Lina und drehte sich einmal um sich selbst.
»Manche Häuser und Baracken sind neueren Ursprungs. Es gibt aber noch alte Straßenzüge. Und eben die teilweise sehr verschachtelten oder in mehreren Reihen hintereinander angeordneten Hinterhofwohnungen«, erklärte Demy. Sie beobachtete eine der vielen leichtbekleideten Frauen, wie sie am Arm eines schwankenden Mannes in einem Hauseingang verschwand.
»Meine Güte, diese Kreation sollte ich auf einer Party tragen!«, kicherte Lina. »Ich könnte mir der Aufmerksamkeit aller männlichen Gäste gewiss sein.«
»Und einen Ruf erlangen, der weder dir noch deinem Vater gefällt!«, rügte Margarete, konnte aber nur schwer ein amüsiertes Lächeln unterdrücken. Die Vorstellung, ihre Freundin würde in einem solchen Aufzug an einem Empfang oder einer Matinee teilnehmen, war einfach zu erheiternd.
Demy führte die beiden Frauen tiefer in das Gewirr der Gassen hinein, bis sie zwischen zwei Häusern hindurch den ihr bereits vertrauten Hinterhof betraten. Dort spielten Willi und Peter mit einem aus Gras geformten und durch Stricke zusammengehaltenen Etwas Fußball. Als sie die drei Damen unter dem Torbogen entdeckten, hielten sie inne und musterten sie ungeniert. Schließlich stieß Willi seinen Zwilling an und raunte ihm etwas zu. Daraufhin verschwand Peter wieselflink im Haus, während Willi mutig auf sie zukam und sogar daran dachte, sich zur Begrüßung seine Mütze vom Kopf zu
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