Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
Vom Netzwerk:
Offiziersuniform saß schneidig an seinem muskulösen Körper und die Medaillen und Auszeichnungen blitzten im Licht der Kandelaber und des flackernden Kaminfeuers auf.
    »Sie sind ein Diener von Mama und Papa. Wie können Sie es wagen …«
    »Muss ich Hand anlegen, oder gehen Sie freiwillig, Grigori?« In der Stimme des Obersts lag eine Schärfe, die selbst Anki erzittern ließ.
    Betont langsam ging Rasputin zwischen ihr und dem Hausherrn hindurch nach draußen. Wenige Augenblicke später hörte Anki, wie Jakow hinter dem Mann die Tür überdeutlich ins Schloss warf.
    »Fräulein Anki, setzen Sie sich bitte.« Die Worte Fürst Chabenskis klangen bestimmt, aber nicht unfreundlich. Während Anki sich auf einem mit dunkelgrünem Samt überzogenen Hocker niederließ, verschwand der Oberst im Flur. Wenige Augenblicke später kehrte er zurück, zog sich einen Stuhl herbei und setzte sich ihr gegenüber.
    »Geht es Ihnen gut? Meine Frau sagte mir, dass Sie bereits vor ein paar Wochen einen unangenehmen Zusammenstoß mit diesem Unruhestifter hatten!«
    »Es ist mir nichts geschehen, Hoheit. Aber Sie kamen im rechten Augenblick. Vielen Dank für Ihr Eingreifen.«
    »Sie taten gut daran, die Tür offen zu lassen. Jakow hörte Sie beide und informierte mich. Er hat fortan die Anweisung, diesem Mann keinen Einlass mehr zu gewähren. Hier sind Sie vor ihm sicher«, erklärte der Fürst und rieb sich mit seiner schwieligen Hand über das Kinn, ehe er leise hinzufügte: »Ganz im Gegensatz zum Rest von Russland!«
    Nadezhda trat ein, knickste und reichte Anki eine Tasse dampfenden Tees. Mit einem zaghaften Lächeln bedankte Anki sich bei dem Dienstmädchen und wartete, bis sie den Raum verlassen hatte. Noch immer zitterten ihre Hände, deshalb stellte sie die Tasse samt Untertasse vorsichtshalber auf dem mit grünen Mosaiksteinchen belegten Beistelltisch ab.
    »Was tun wir jetzt, Fräulein Anki? Sie haben diesem Mann mehr Widerworte gegeben, als er vermutlich in den vergangenen Jahren zusammen hier in Petersburg zu hören bekommen hat. Möchten Sie den Kontakt zu Komtess Zoraw aufrechterhalten?«
    »Ljudmila ist mir eine liebe Freundin geworden«, erwiderte Anki zögernd, da sie die aufgeweckte junge Frau in ihr Herz geschlossen hatte. Allerdings bereitete ihr der Einfluss, den Rasputin seit ein paar Monaten auf Ljudmila ausübte, große Angst.
    »Sie sind eine vernünftig denkende junge Frau. Ich überlasse es Ihnen, wie Sie mit Komtess Zoraw verfahren. Dennoch möchte ich Sie warnen: Sollten meine Töchter durch Ihre Freundschaft zu der Komtess in den Einflussbereich Rasputins gelangen, werde ich Maßnahmen ergreifen und Sie notfalls in die Niederlande zurückschicken. Das würde ich sehr bedauern, denn sowohl meine Frau als auch ich schätzen Sie und Ihren positiven Einfluss auf unsere Kinder. Die Angestellten dieses Hauses respektieren Sie, und die Mädchen lieben sie! Wie immer Sie sich entscheiden, Fräulein Anki: Seien Sie auf der Hut. Ich habe den Eindruck, Sie haben sich heute einen einflussreichen Feind geschaffen!«
    ***
    Vollkommene Stille herrschte im Palais. Keine Stimmen oder Schritte ließen auf die Anwesenheit anderer Menschen schließen, was das Gefühl der Furcht in Anki noch verstärkte. Einzig das stete Ticken der wuchtigen Standuhr aus dem Foyer war bis hinauf auf die Galerie zu hören, wenngleich das gleichmäßige Geräusch Anki noch nie zuvor so deutlich aufgefallen war wie in diesem Moment. Die Balustrade der Galerie, an der Anki lehnte, schimmerte im Licht der Abendsonne in einem warmen Braunton, während die nicht beleuchteten Anteile nahezu schwarz aussahen.
    Die junge Frau verharrte gegenüber der geschlossenen Tür zum Weißen Salon und atmete mehrmals betont tief durch. Mit den Händen strich sie unruhig über ihren cremefarbenen Faltenrock. Sie war verstört, fühlte sich gedemütigt, und die Kälte in ihrem Inneren signalisierte ihr ihre Furcht vor Rasputin. Mit dem Gedanken, dass er von Jakow nie wieder eingelassen werden würde, versuchte sie sich zu beruhigen, doch es mochte ihr nicht gelingen.
    Rasputin war ein Mann mit mächtigen Gönnern und sollte besser von niemandem unterschätzt werden. Zudem lebte er wie sie in St. Petersburg, bewegte sich frei in der Stadt und war in den heruntergekommenen Gegenden ebenso anzutreffen wie in den vornehmsten Adelshäusern, bis hin zum Zarenpalast. Wie hoch standen wohl ihre Chancen, dass dies heute ihre letzte Begegnung gewesen war?
    Leise aufseufzend

Weitere Kostenlose Bücher