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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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Mädchen mitzunehmen.«
    Anki, immer darauf bedacht die Kinder im Blick zu behalten, drehte sich von dem Studenten fort, als der Tilla begrüßte. Die zwei kleineren Mädchen spielten unter den Bäumen, und da zu dieser Jahreszeit das Grün erst verhalten spross, konnte Anki sie aus der Entfernung gut beaufsichtigen; Nina hatte sich nur ein paar Schritte entfernt.
    Als Anki sich wieder Robert zudrehte, trat dessen Bruder herbei, nickte den Frauen knapp zu und drückte Robert seine Bücher in den Arm, die er im Gras vergessen hatte.
    »Wir müssen los.« Oskars Stimme klang auffällig hoch, beinahe so, als sei er noch nicht im Stimmbruch gewesen. Der Student verabschiedete sich, winkte den drei kleinen Fürstinnen zu und verschwand mit seinem Bruder zwischen den Bäumen.
    In der Hoffnung, Tilla würde endlich aus ihrer schweigsamen Grübelei erwachen und mehr als nur ein paar Höflichkeiten mit ihr austauschen, ließ Anki die Mädchen noch länger spielen. Doch schließlich rief sie, enttäuscht über das hartnäckige Schweigen ihrer älteren Schwester, die Kinder zu sich, damit sie das nächste Dampfschiff zurück in die Altstadt nehmen konnten.
    Auf dem Weg am Schwanenkanal entlang gesellte sich Nina neben sie. Anki sah sich um und erblickte das Nesthäkchen an der Hand von Tilla. So schenkte sie dem ältesten Mädchen ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
    »Kannten Sie den Arzt?«, fragte Nina.
    »Nein, wir sind uns noch nie begegnet.«
    »Ich denke, Mutter mag es nicht, wenn Sie so viel von uns preisgeben.«
    Verständnislos zog Anki die Augenbrauen in die Höhe.
    »Er war doch ganz offensichtlich weder Russe, noch gehörte er unserer Gesellschaftsschicht an«, fuhr Nina fort. »Wer weiß schon, wer er ist und was er wirklich im Schilde führt? Es ist ein Jammer, dass der Sommergarten jetzt allen halbwegs ordentlich gekleideten Personen offensteht.«
    Anki holte tief Luft und ließ sie langsam wieder entweichen. Sie kannte diese Klagen bereits aus diversen Gesprächen bei verschiedenen Anlässen im Haus der Chabenskis. Nicht einmal Fürstin Chabenski ging auf Bemerkungen dieser Art ein. Tatsächlich genoss die Adelige ihre Stellung und lebte die Traditionen der russischen Kultur mit Hingabe, doch aus so manchen ihrer Handlungen hatte Anki schon früh herausgelesen, dass sie, anders als viele ihrer Freundinnen und Verwandten, das autokrate System Russlands durchaus kritisch hinterfragte. Die Fürstin hielt sich keinesfalls für besser als ein ehrlicher Kaufmann oder ein armer Bauer. Wie kam wohl Nina zu dieser hochmütigen, elitären Einstellung?
    »Viele Häuser des Adels verfügen zumindest über einen kleinen Garten, manche sogar über parkähnliche Anlagen, aber das einfache Volk hat meist nur winzige Wohnungen ohne Grün«, versuchte Anki beschwichtigend zu erklären. »Es tut allen Menschen gut, die Schönheit und Stille der Gartenanlagen zu genießen, das Zwitschern der Vögel und das Rauschen der Blätter zu hören oder die schönen Schwäne beobachten zu können. Weshalb sollte man ihnen diese kleine Freude nicht gestatten?
    »Weil sie neidisch werden auf das, was unser ist, und es an sich reißen wollen. Diese Kreaturen muss man von uns fernhalten!«
    Sprachlos starrte Anki eine Weile auf sie hinunter. »Wer sagt das?«, hakte sie nahezu tonlos nach.
    »Raisa schrieb es mir!«
    Anki seufzte leise auf, als ihr die Zusammenhänge klar wurden. Raisa Wladimirowna Osminken war Ninas neueste Freundin. Die zwölfjährige Tochter eines Moskauer Barons hatte mit ihrem Vater den vergangenen Winter in St. Petersburg verbracht, wobei das ungleiche Paar bei jedem der saisonalen Feste erschienen war, für das sie Einladungen erhalten hatten. Auch Fürstin Chabenski hatte Vater und Tochter gern in ihrem Haus willkommen geheißen, wollte sie dem Besuch aus Moskau doch den lange andauernden geschäftlichen Aufenthalt in der für sie unbekannten Stadt verschönern.
    Die Freundschaft zwischen der älteren Raisa zu ihrem noch kindlichen Schützling war Anki ein Dorn im Auge gewesen. Sie hatte sich jedoch darauf beschränkt, die zwei aufmerksam zu beobachten. Immerhin war die Hoffnung, dass Raisa sich bald Gleichaltrigen zuwenden würde, nicht unbegründet gewesen. Zu Ankis Missfallen hatte sich die Bindung zwischen den beiden jedoch vertieft, sodass sie nun, da Raisa zurück in Moskau war, sogar einen regen Briefwechsel aufrechterhielten.
    »Raisa hat nur für ein paar Wochen lang in St. Petersburg gewohnt. Ich vermute einmal,

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