Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)
interessiert wie an Briefen – ob es nun galt, welche zu schreiben oder welche zu bekommen.
Die Möbel lagerten hinten in der Scheune, die nur ein städtischer Schuppen war, keine richtige Scheune mit Tieren und einem Kornspeicher. Als Johanna vor etwa einem Jahr zum ersten Mal einen Blick darauf geworfen hatte, fand sie die Sachen staubverkrustet und voller Taubenkot vor. Die Möbelstücke waren achtlos übereinander gestapelt worden, ohne etwas, um sie abzudecken. Sie hatte alles, was sie tragen konnte, in den Hof hinausgeschleppt und so in der Scheune Platz geschaffen, um an die großen Stücke heranzukommen, die sie nicht tragen konnte – das Sofa und das Büfett und die Vitrine und den Esstisch. Das Bett ließ sich auseinander nehmen. Sie bearbeitete das Holz mit weichen Staubtüchern, dann mit Zitronenöl, und als sie fertig war, glänzte es wie Kandis. Ahornkandis – die Möbel waren aus Vogelaugen-Ahorn. Sie fand, sie sahen wunderschön aus, wie Satinbettdecken und blondes Haar. Wunderschön und modern, so ganz anders als das dunkle Holz und das lästige Schnitzwerk der Möbel, die sie im Haus abstaubte. Zu der Zeit waren es für sie
seine
Möbel, und das waren sie auch noch, als sie sie an diesem Mittwoch herausholte. Sie hatte alte Decken auf die unterste Schicht gelegt, zum Schutz vor dem, was sich darauf stapelte, und Bettlaken auf die oberste Schicht, zum Schutz vor den Vögeln, und dementsprechend waren die Sachen nur leicht eingestaubt. Aber sie wischte trotzdem alle ab und rieb sie mit Zitronenöl ein, bevor sie sie zurückstellte, ebenso geschützt wie vorher, bis am Freitag der Lastwagen kam.
Lieber Mr McCauley,
ich reise heute (Freitag) Nachmittag mit dem Zug ab. Ich weiß, ich tue das, ohne Ihnen gekündigt zu haben, aber ich verzichte auf meinen letzten Lohn, der kommenden Montag für drei Wochen fällig wäre. Auf dem Herd steht in dem Wasserbadtopf ein Rindfleischgericht, das nur aufgewärmt werden muss. Reicht für drei Mahlzeiten und kann vielleicht für eine vierte verlängert werden. Sobald es heiß ist und Sie sich genug genommen haben, tun Sie den Deckel drauf und stellen es dann in den Kühlschrank. Vergessen Sie nicht, sofort den Deckel drauf zu tun, damit es nicht schlecht wird. Mit Gruß an Sie und an Sabitha, und werde mich wahrscheinlich melden, wenn ich Fuß gefasst habe. Johanna Parry.
P. S. Ich habe Mr Boudreau seine Möbel geschickt, da er sie vielleicht braucht. Vergessen Sie beim Aufwärmen nicht nachzuschauen, ob unten im Topf genug Wasser ist.
Mr McCauley hatte keine Schwierigkeiten herauszubekommen, dass Johanna eine Fahrkarte nach Gdynia in Saskatchewan gelöst hatte. Er rief nämlich den Stationsvorsteher an und fragte ihn. Er wusste nicht, wie er Johanna beschreiben sollte – sah sie alt oder jung aus, war sie schlank oder eher korpulent, welche Farbe hatte ihr Mantel? –, aber das war nicht mehr nötig, nachdem er die Möbel erwähnt hatte.
Als dieser Anruf kam, warteten gerade mehrere Leute auf den Abendzug. Der Stationsvorsteher versuchte anfangs, leise zu sprechen, aber als er von den gestohlenen Möbeln hörte (Mr McCauley sagte lediglich »und ich glaube, sie hat einige Möbel mitgenommen«), wurde er fuchtig. Er schwor, wenn er gewusst hätte, wer sie war und was sie im Schilde führte, hätte er sie nie in den Zug einsteigen lassen. Diese Beteuerung wurde mit angehört und weitererzählt und geglaubt, ohne dass sich jemand fragte, wie er eine erwachsene Frau mit gültiger Fahrkarte hätte festhalten sollen, ohne sofort beweisen zu können, dass sie eine Diebin war. Die meisten Leute, die seine Worte weitererzählten, glaubten, dass es in seiner Macht stand, sie festzuhalten – sie glaubten an die Autorität von Stationsvorstehern und von aufrecht gehenden vornehmen älteren Herren in dreiteiligen Anzügen wie Mr McCauley.
Das Rindfleischgericht war ausgezeichnet, wie alles, was Johanna kochte, aber Mr McCauley stellte fest, dass er es nicht herunterbrachte. Er missachtete die Anweisung hinsichtlich des Deckels und ließ den Topf offen auf dem Herd stehen und stellte nicht einmal die Flamme ab, bis das Wasser im unteren Teil des Topfes verkocht war und er vom Gestank qualmenden Metalls aufgescheucht wurde.
Dem Gestank des Verrats.
Er sagte sich, dass er immerhin dankbar sein konnte, Sabitha in guten Händen zu wissen und sich um sie keine Sorgen machen zu müssen. Seine Nichte Roxanne – eigentlich die Kusine seiner Frau – hatte ihm
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