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Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Titel: Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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allein im Haus, ohne den Geruch von Kaffee oder Frühstück aus der Küche – stattdessen hing noch der Dunst vom angebrannten Topf in der Luft. Herbstkühle hatte sich in den hohen, verlassenen Zimmern eingenistet. Gestern Abend und an den Abenden zuvor war es behaglich gewesen – der Brenner für die Warmluftheizung war noch nicht an, und als Mr McCauley ihn anstellte, wurde die warme Luft von einem Schwall Kellerfeuchte begleitet, von dem Geruch nach Moder, Erde und Verfall. Er wusch sich und kleidete sich an, langsam, mit gedankenverlorenen Pausen, und zum Frühstück schmierte er sich Erdnussbutter auf eine Scheibe Brot. Er gehörte einer Generation an, von der es hieß, dass die Männer nicht einmal Wasser kochen konnten, und auf ihn traf das zu. Er blickte zu den Vorderfenstern hinaus und sah auf der anderen Straßenseite, wie die Bäume an der Pferderennbahn vom Morgennebel verschluckt wurden, der sich über das ganze Gelände auszubreiten schien, statt sich wie sonst um diese Stunde zurückzuziehen. Es kam ihm vor, als sähe er im Nebel die alten Ausstellungshallen ragen – schlichte, geräumige Gebäude wie riesige Scheunen. Sie hatten jahrelang leer gestanden, den ganzen Krieg hindurch, und er hatte vergessen, was am Ende mit ihnen geschehen war. Wurden sie abgerissen, oder waren sie eingestürzt? Er verabscheute die Pferderennen, die jetzt stattfanden, das Menschengewühl und den Lautsprecher und den verbotenen Alkoholkonsum und den verheerenden Radau der Sommersonntage. Wenn er daran dachte, musste er an seine arme Tochter Marcelle denken, wie sie auf den Verandastufen saß und die inzwischen erwachsenen Schulkameraden zu sich rief, die aus ihren geparkten Autos gestiegen waren und es eilig hatten, zu den Rennen zu kommen. Wie sie sich aufführte, sich freute, wieder hier zu sein, wie sie alle möglichen Leute umarmte und aufhielt und ohne Punkt und Komma auf sie einredete, von Kindertagen plapperte und davon, wie sehr sie alle vermisst hatte. Das einzig Unvollkommene am Leben, hatte sie gesagt, war, dass ihr Mann Ken ihr fehlte, der wegen seiner Arbeit draußen im Westen blieb.
    In ihrem seidenen Pyjama ging sie vors Haus, mit strähnigen, ungekämmten, blond gefärbten Haaren. Ihre Arme und Beine waren dünn, aber ihr Gesicht war etwas aufgedunsen, und das, was sie ihre Sonnenbräune nannte, sah eher kränklich und vergilbt aus, eine Farbe, die nicht von der Sonne herrührte. Vielleicht von Gelbsucht.
    Das Kind war im Haus geblieben und hatte ferngesehen – sonntägliche Zeichentrickfilme, für die es bestimmt zu alt war.
    Er vermochte nicht zu sagen, was ihr fehlte oder ob ihr überhaupt etwas fehlte. Dann fuhr Marcelle nach London, um eine Frauensache machen zu lassen, und starb im Krankenhaus. Als er ihren Mann anrief, um es ihm mitzuteilen, sagte Ken Boudreau: »Was hat sie geschluckt?«
    Wäre alles anders gekommen, wenn Marcelles Mutter noch gelebt hätte? Tatsächlich war ihre Mutter zu Lebzeiten ebenso hilflos gewesen wie er. Sie hatte weinend in der Küche gesessen, und gleichzeitig war die in ihr Zimmer eingesperrte, pubertierende Tochter aus dem Fenster geklettert und über das Verandadach heruntergerutscht, weil ganze Wagenladungen Jungs auf sie warteten.
    Das Haus war erfüllt von einem Gefühl herzloser Treulosigkeit, arglistigen Betrugs. Er und seine Frau waren sicherlich liebevolle Eltern gewesen, von Marcelle an den Rand der Verzweiflung getrieben. Als sie mit einem Flieger durchgebrannt war, hatten sie gehofft, Marcelle wäre nun endlich gut aufgehoben. Sie waren großzügig zu den beiden gewesen, wie zu einem idealen jungen Paar. Aber es ging alles zu Bruch. Zu Johanna Parry war er ebenfalls großzügig gewesen, und siehe da, auch sie hatte ihm übel mitgespielt.
    Er machte sich zu Fuß auf den Weg in die Stadt und ging ins Hotel, um zu frühstücken. Die Kellnerin sagte: »Heute sind Sie aber früh dran.«
    Und noch während sie ihm Kaffee eingoss, erzählte er ihr von seiner Haushälterin, die ihn ohne Anlass, ohne Vorankündigung im Stich gelassen hatte, nicht nur ohne Kündigung ihren Dienst quittiert, sondern auch noch etliche Möbel mitgenommen hatte, ursprünglich Eigentum seiner Tochter, die jetzt angeblich seinem Schwiegersohn gehörten, aber nicht wirklich, denn sie waren von der Mitgift seiner Tochter gekauft worden. Er erzählte ihr, dass seine Tochter einen Flieger geheiratet hatte, einen ansehnlichen, sympathischen Burschen, dem man nicht von hier bis da trauen

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