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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Hut?«
    »Nein, danke«, sagte ich und winkte ab. »Alles Firlefanz. Aber der hier …« Spontan riss ich ein federleichtes Nichts von einem Schleiertraum an mich. »Der schreit förmlich nach mir. Es würde mir das Herz brechen, ihn hierzulassen!«
    Jetzt musste die Verkäuferin doch lachen. »Also, wenn ich die gnädige Frau dann zur Kasse begleiten dürfte …«
     
    Die gnädige Frau war natürlich meine Mutter. Wenn ich sie mal eben vorstellen darf: Sie war Miteigentümerin des bekannten Spielzeuggeschäftes »Kinderparadies« am Jungfernstieg, also dort, wo die Hautevolee für ihre Sprösslinge die pädagogisch wertvolle, naturbelassene, hölzerne, aber schweineteure Briobahn einkaufte. Es gab Zeiten, da herrschten wirklich paradiesische Zustände in diesem traditionsreichen Geschäft. Generationen von Hamburger Kindern drückten sich die Nasen am Schaufenster platt. Und selbst eine Milliardärin
wie Tina Onassis hat sich in Mutterns Kinderparadies zum Kauf eines Schlittens verführen lassen! Der ägyptische Staatschef Mubarak kaufte doch tatsächlich in Anwesenheit seiner bewaffneten Bodyguards für eine fünfstellige Summe Spielzeug für seine Kinder! Er ließ sich dann noch kistenweise Spielzeug für Kinderheime in seiner Heimat einpacken. Auch die berühmte Stargeigerin Anne-Sophie Mutter und Rocksänger Rod Stewart erlagen dem Reiz von Mutterns edlen handbemalten Holztieren, und Hamburgs feinste Gesellschaft gehörte zu Mamas Stammkunden. Lange vor Weihnachten war sie, seit ich denken kann, nicht mehr für mich ansprechbar gewesen. Sie besaß zwar ein »Kinderparadies«, aber ich, ihr einziges Kind, hatte keinen Platz darin.
    Trotzdem war ich immer stolz auf meine Mutter. Und meine Mutter war mit Recht stolz auf ihre prominente und zahlungsfreudige Kundschaft. Ob sie auf mich stolz war, weiß ich nicht. Sie ließ sich diesbezüglich nichts anmerken. Sie war eben eine geschätzte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, ganz im Gegensatz zu mir. Und noch dazu eine sehr konservative, bisweilen autoritäre. Samt Kostüm, Goldbrosche und perfekt sitzender Frisur. Und wenn ihre einzige Tochter Konstanze es sich in den eigenwilligen Kopf gesetzt hatte, einen nicht standesgemäßen fränkischen Burschen zu heiraten, der noch nicht mal Kaviar mit dem Perlmuttlöffel essen kann und den sie gerade mal seit zehn Monaten kennt, dann aber BITTE standesgemäß und in Weiß.
    »Okay, Mami, danke schon mal«, sagte ich leichthin
und wehte mitsamt meinem pompösen Superkleid aus dem Laden. »Ich bin dann nebenan beim Friseur!«
    »Lass dir die Haare hochstecken!«, rief meine arme gebeutelte Mami noch hinter mir her, während sie die Kreditkarte aus ihrem Krokohandtäschchen zog. »Ich komm dann gleich, um dich auszulösen!«
    Ach, Mami! Wie gern hätte ich dich einmal stürmisch umarmt!
    Aber das hätte vielleicht eine Falte in deinen Blusenkragen gemacht.
     
    »Grüß Gott«, versuchte ich es bei dem Edel-Coiffeur ganz lässig. Schließlich lebte ich inzwischen in Nürnberg, mitten in Franken, und da grüßt man noch Gott, wenn man einen Laden betritt. Beziehungsweise man fordert sein Gegenüber dazu auf.
    Hier in Hamburg-Blankenese war dieser Ton allerdings unangebracht.
    »Sie wönschen?«, fragte mich herablassend der Schönling mit wallendem Haar, und ich diagnostizierte heimlich eine Fehlstellung der Nasenscheidewand, obwohl das nicht meine medizinische Fachrichtung war.
    Der Edel-Coiffeur schaute genervt auf seine Designeruhr. Ihm schwante Schlimmes.
    »Na, nach was sieht das denn hier wohl aus?«
    »Eine Hochzeitsfrisur?«, fragte die Intelligenzbestie überrascht. »Jetzt?«
    »Genau«, sagte ich gnädig. »Und zwar noch heute.«
    »Wie stellen Sie sich das denn vor?«, fragte der Meister entsetzt. »Wär schläßen in einer Stonde.«

    »Na, bis dahin werden Sie doch was Anständiges hinkriegen!«
    Wenn der wüsste, dass andere in der gleichen Zeit zwei Geburten hinkriegen! Als Gynäkologen natürlich. Bald würde ich eine von ihnen sein!
    »Na, dann wollen wär mal.«
    Während man mich in voller Brautkleidmontur zum Waschbecken schob, steckte meine Mami ihren stets perfekt frisierten Kopf zur Tür herein: »Konstanze? Ich hol in der Zwischenzeit schon mal die Omi ab!«
    »Ist gut!«
    »Wie lange werden Sie brauchen, um meine Tochter für die Hochzeit vorzubereiten?«, fragte meine Mutter streng.
    »Ein bis zwei Stöndchen«, gab der Maestro zurück.
    Die Tür fiel ins Schloss.
    Ich schloss die Augen und

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