PR TB 211 Der Rauschgiftplanet
1.
Der Tod war noch etliche Stunden entfernt. Langion Brak hatte
Zeit, die Ereignisse der vergangenen Tage noch einmal zu überdenken.
Er trieb langsam auf die riesige, gelblich schimmernde Scheibe des
Planeten zu. Der Sog der Schwerkraft mußte ihn inzwischen bis
auf mehrere Kilometer pro Stunde beschleunigt haben; aber im
Vergleich zu den Einzelheiten, die er auf der Oberfläche der
fremden Welt wahrnahm, war seine Bewegung unmerklich.
Es zischte leise aus den Einlaßventilen seines Raumanzugs.
Er hatte genügend Atemluft, und die Temperatur war erträglich,
obwohl die Sonne mit voller Kraft von hinten auf ihn schien. Er hatte
versucht, den Helmsender zu aktivieren; aber natürlich waren sie
nicht so dumm gewesen, ihm ein brauchbares Funkgerät zu
überlassen. Der Schutzanzug war von unbekannter, einfacher
Konstruktion. Er besaß kein Schirmfeldaggregat. Er würde
die glühende Umarmung durch die Atmosphäre des fremden
Planeten nicht überleben, sondern sich mitsamt seinem Insassen
in eine leuchtende Sternschnuppe verwandeln. Niemand bekam sie zu
sehen, selbst wenn es dort unten Leben gab, das mitunter die Augen
zum Himmel erhob. Der Eintritt erfolgte auf der Tagseite.
Langion Braks Gelassenheit war ihm selbst unerklärlich. Er
hatte sich oft vorzustellen versucht, wie es sein würde, wenn er
dem Tod gegenüberstand. Illusionen hatte er dabei keine gehabt.
Er war ein entschlossener und tatkräftiger Mann, mutig sogar,
wenn man denen glauben wollte, die sich von Berufs wegen ein Urteil
über ihn zu bilden hatten. Aber er liebte das Leben. Er liebte
es so sehr, daß er sich in ein kreischendes, zappelndes
Nervenbündel verwandeln würde, sobald er spürte, wie
die ersten Luftfetzen der obersten Atmosphäreschichten nach ihm
zu greifen begannen. Nur die Gewißheit, daß bis dahin
noch ein paar Stunden vergehen würden, erfüllte ihn mit
einer gewissen Ruhe.
Er hatte Fehler gemacht, denen er seine jetzige Lage verdankte. Er
hatte das Gefühl seine Entscheidungen beeinflussen lassen,
anstatt sich allein an Logik und Erfahrung zu halten. Das Gefühl
war das des Hasses gewesen - gegenüber Menschen, die anderen
Menschen nur um des Gewinnes wegen Schaden zufügten, sie in
Unheil, Verzweiflung und Wahnsinn stürzten. Auf Solvaigh war er
einer Verteilerorganisation für Metathen auf die Spur gekommen.
Die örtlichen Behörden waren bereits am Investigieren. Es
war offenbar, daß die Metathen-Verteiler ihm durch die Lappen
gehen würden, wenn er nicht sofort zuschlug. Er hatte Louisa
Quantor und Humbert Graf Laton sofort benachrichtigt, aber der Haß
und die Ungeduld bewogen ihn, nicht auf ihre Ankunft zu warten,
sondern im Alleingang gegen die Metathen-Händler vorzugehen. Er
wußtejetzt, daß das Unternehmen nur dann Aussicht auf
Erfolg gehabt hätte, wenn alles genau nach seiner Vorstellung
abgelaufen und ihm kein unerwartetes Hindernis in die Quere gekommen
wäre. Aber das Hindernis materialisierte, wie es dies immer tut
(es ist mehr an Murphys Gesetz, als der Mensch wahrhaben will), und
er hatte keinen Rückhalt, keine Linie, auf die er sich
zurückziehen konnte. Anstatt die Metathen-Händler
festzunehmen, wurde er ihr Gefangener. Ihre Fluchtvorbereitungen
waren abgeschlossen. Sie verließen Solvaigh bei Nacht und Nebel
und nahmen Langion Brak mit.
Das war in Wirklichkeit sein zweiter Fehler gewesen. Er hätte
diesen nicht begangen, wenn ihm der erste nicht unterlaufen wäre:
Faider Kunzaf zu unterschätzen, das kleine, scheeläugige,
wendige Wiesel, das die Operation der Metathen-Händler auf
Solvaigh leitete. Kunzaf war einen Meter sechzig groß, sein
Alter unbekannt und unbestimmbar, und wer zum ersten Mal mit ihm zu
tun hatte, der gewann den Eindruck, er hätte einen gewöhnlichen
Halsabschneider vor sich, eine der unmittelbar jenseits des Gesetzes
lebenden Gestalten, wie sie die großen Städte
zivilisierter Welten zu Tausenden hervorbringen. Einen schlauen Mann
ohne Intelligenz, einen skrupellosen Mann, mit zuviel Angst, um
wirklich schwerwiegende Verbrechen zu begehen. Langion Brak hatte
sich zu seinem Fund beglückwünscht. Es sah so aus, als
hätte die Organisation der Metathen-Schmuggler einen Leiter des
Unternehmens auf Solvaigh gewählt, der kein ernstzunehmender
Gegner war.
Wie hatte ihn die Erkenntnis erschüttert, daß Faider
Kunzaf sein Äußeres nur als Tarnung benutzte und in
Wirklichkeit ein Mann von teuflischer Genialität war! Von allem
Anfang an hatte er gewußt, daß ihm die
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