Himmelsbett - Neue schwedische Liebesgeschichten
vielleicht mit in die Stadt neh
men?« In Katarina erwachte eine vage Hoffnung, die sogleich
verschwand, als der Rothaarige den Kopf schüttelte.
»Nein, danke«, lehnte er ab. »Ich will mit denen geradewegs
zur Polizei.«
Der Schiffer des Motorbootes nickte.
»Ist in Ordnung«, meinte er. »Man muß sie stoppen, ehe sie
noch mehr Unheil anrichten.« Er sprang in sein Boot, startete
den Motor und verschwand, dem Rothaarigen mit der Hand
zuwinkend.
Margareta, die in der Kajütentür stand, hatte schon lange auf
gehört zu weinen. Sie wurde immer mehr gefangen genommen
von den Worten des Rotbärtigen, wurde immer interessierter an
seinem kraftvollen Rücken, der sich deutlich unter dem nassen
Hemd abzeichnete. Von den Schultern wanderte ihr Blick hinab
zu den starken, behaarten Schenkeln, den kräftigen Waden und
den schönen gewölbten Füßen, die fest auf dem Deck der Aurora
standen. Da entdeckte sie plötzlich, daß seine Zehen ganz blau
waren.
»Himmel«, rief sie aus, »woran denken wir eigentlich? Sie ste
hen ja hier und erfrieren. Kommen Sie hinunter in die Kajüte
und ziehen Sie die nassen Sachen aus. Ich werde eine Decke
holen.«
Diese Worte gaben Katarina etwas von ihrer Handlungskraft
zurück.
»Wir wollten eigentlich im Trängskärsvik übernachten«, sagte
sie leise. »Können wir das nicht tun? Bald ist es dunkel, und es
wird schwierig, von hier nach Norrtälje zu kommen. Außerdem
müssen Sie etwas essen und Ihre Kleider trocknen. Barbro und
Gunilla, spannt eine Leine auf. Wir gehen mit dem Motor in die
Bucht.«
Plötzlich merkte der Mann, wie müde und ausgefroren er war.
»Okay«, stimmte er sauer zu. »Aber morgen geht es geradewegs
zur Polizei nach Norrtälje.« Er ging hinunter in die Kajüte und
hinterließ eine lange, nasse Spur hinter sich.
Das Mittagessen fand unter vollständigem Schweigen statt.
Jeder Versuch einer Unterhaltung erstarb, sobald jemand einen
Blick auf das eisige Gesicht des Mannes warf. Er saß in eine
Decke gewickelt an der Schmalseite des Klapptisches der Kajüte.
Das helle Haar, inzwischen fast getrocknet, stand böse ab, und
der Mund über der roten Schifferkrause war verschlossen und
stumm. Keiner aß mit Appetit. Schweigend stellte Katarina die
Pappteller zusammen und servierte den Kaffee.
Er erhob sich mit dem Kaffeetopf in der Hand.
»Ich geh jetzt filzen«, sagte er kurz. Die Decke umschwebte
ihn majestätisch, als er die Kajütentreppe hinauf schritt. Mutlos
saßen sie vor ihren Kaffeetöpfen und hörten ihn vorne im Mann
schaftsraum herumstöbern. So leise wie möglich wuschen sie das
Geschirr ab und räumten es weg. Dann fiel ihnen nichts Besseres
ein, als selbst auch in die Kojen zu kriechen.
Sie hatten noch nicht lange gelegen, als sich Katarina aufsetz
te. Sie lag Fuß an Fuß mit Ullabritt, die ihre beste Freundin war.
Vorher hatten sie ihre Schlafplätze im Mannschaftsraum gehabt.
»Schlaft ihr?« flüsterte sie. Gunilla und Barbro kamen herun
tergeklettert, und bald saßen sie im Kreis auf den vier unteren
Kojen, die heruntergeklappt einen Fußboden quer über die
Kajüte bildeten. Der Schein der Sommernacht fiel durch die
Lüfter und ließ ihre Gesichter bleich erscheinen.
»Wir müssen etwas tun«, wisperte Katarina.
»Es ist an der Zeit«, sagte Gudrun. Sie saß mit gekreuzten
Beinen, geradem Rücken und einem Ausdruck von Energie in
ihrer ganzen Haltung da. »Du mußt jetzt irgend etwas tun, denn
wenn du erst auf der Polizei bist, ist es zu spät.«
»Wirst du wirklich eingelocht?« flüsterte Margareta. Ihr langes,
dunkles Haar hing schräg über ihr Gesicht, das mehr neugierig
als mitleidig aussah. Barbro ließ ein Schnauben hören.
»Klar wird sie eingelocht«, meinte sie und kratzte ihren blon
den Kopf, der für die Nacht mit zwei kurzen Zöpfen versehen
war. Katarina war nicht sicher, ob sie nicht zufrieden aussah.
»Ich habe nie einen Menschen so wütend erlebt«, warf Lena
ein und vergaß zu flüstern. Die anderen Mädchen riefen »seht«,
und Lena senkte die Stimme.
»Ich möchte ihn zeichnen«, wisperte sie, »oder modellieren.«
Sie machte ein paar knetende Bewegungen mit den Händen.
»Gott, wenn wir solche Modelle an der Kunstschule hätten!«
Gunilla zog eine Decke über ihre schlafanzugbekleideten Bei
ne.
»Ich bin froh, daß ich nicht du bin«, sagte sie zu Katarina aus
der ganzen Tiefe ihres Herzens. »Er ist ja lebensgefährlich,
schlimmer noch als unser seliger Direktor an der Västra
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