Himmelsfelsen (Krimi-Edition)
in Gedanken seinen Artikel. Immerhin konnte er ohne weiteres einen Zusammenhang mit Fronbauer andeuten: Schließlich ereignete sich der Einbruch in jenem Bereich der Langen Gasse, den Daniel Fronbauer von seiner verblichenen Tante geerbt hatte.
Der Journalist wollte die Zeit bis zum Eintreffen des SEK nutzen, um eine erste Version seines Artikels zu schreiben. Er hatte mit seiner Digitalkamera die Szenerie mit den Einsatzkräften in der Langen Gasse fotografiert und war eiligen Schrittes durch den Regen zum Verlagsgebäude zurückgekehrt. Völlig durchnässt und atemlos berichtete er seinen Kollegen von der neuen Entwicklung. Michl Rahn, der, wie immer, Spätdienst hatte, entwarf ein neues Layout für die erste Lokalseite und nahm sich der Fotos an.
Sander wehrte alle Fragen seiner Kollegen ab. Er war jetzt in Hektik. Er musste innerhalb von 20 Minuten seinen Artikel komplett umschreiben, und sein ganzes Hintergrundwissen einbringen. Er schilderte die »Vorgeschichte«, die Ereignisse der letzten beiden Tage, und er konnte jetzt an die Spekulationen zu etwaigen Zusammenhängen mit der Altstadtsanierung anknüpfen, die er in der heutigen Ausgabe bereits exklusiv erwähnt hatte. Nun war die Wahrscheinlichkeit immer größer, dass der Mord eng mit der Geislinger Kommunalpolitik verknüpft war. Wie jedoch die Verflechtungen waren, darüber konnte Sander an diesem Abend nur spekulieren.
Kurz vor 21 Uhr. Noch immer prasselte der Regen nieder. Es schien so, als würde ein Gewitter das andere jagen. In nahezu allen Gemeinden des Filstales waren inzwischen die Feuerwehren ausgerückt. Sanders Kollegen kümmerten sich um die Überschwemmungen. Michl Rahn, Chef vom Dienst, mühte sich unterdessen mit den neuen Seitengestaltungen ab. Denn jetzt musste er nicht nur für Sander das Layout ändern, sondern auch für die Kollegen, die für die Kreisseiten der Zeitung verantwortlich waren. Von überall her gingen mittlerweile Meldungen über Überschwemmungen ein.
Sander hatte seinen Artikel so weit vorbereitet, dass er nachher nur noch den SEK-Einsatz würde einfügen müssen. Noch war eine Stunde Zeit bis zum Redaktionsschluss.
Sander rief seine Lebensgefährtin an und sagte ihr, dass es später werden würde. Dann machte er sich wieder auf den Weg zu Ferdls Haus, die Kamera jetzt unter einem gelben Regenumhang verborgen.
In der Langen Gasse hatte die Polizei alle Schaulustigen abgewiesen. In den angrenzenden Straßen waren rot-weiße Absperrbänder gezogen worden. Sander stieg über eines hinweg und winkte einem Uniformierten zu, der an der Ecke postiert war.
Es herrschte eine geradezu gespenstische Stille. Vereinzelt zuckten noch Blaulichter, vor Ferdls Haus parkten unzählige Einsatzfahrzeuge.
Ferdl, das erfuhr Sander von einem der Polizisten, war im Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht worden, das seit geraumer Zeit »Helfenstein Klinik« hieß.
Der Journalist stellte sich an den Eingang der gegenüber Ferdls Haus gelegenen Pizzeria. Das Lokal war vorsorglich geräumt worden. Aus den Häusern, die zu dem Altstadt-Karree um Ferdls Wohnhaus herum gehörten, brauchte hingegen niemand evakuiert zu werden, dort wohnte seit Jahr und Tag niemand mehr.
Die Polizei ging eindeutig von einem Großeinsatz aus.
Als Häberle an der offenstehenden Tür von Ferdls Haus auftauchte, überquerte Sander die Lange Gasse, um ihn zu fragen: »Was vermuten Sie, wer sich da oben versteckt?«
Häberle, völlig durchnässt, zuckte mit den Schultern. »Wir wissen nicht mal, ob das alles in einem Zusammenhang mit unserm Mord steht.« In diesem Moment bog der erste grüne Mannschaftswagen des SEK in die Lange Gasse ein, musste aber hinter der Kolonne der abgestellten Einsatzfahrzeuge stoppen.
Nacheinander tauchten weitere Kastenwagen auf. Wortlos sprangen Beamte in ihren grünen Kampfanzügen heraus. Häberle, Bruhn, der Staatsanwalt und der PD-Leiter verließen Ferdls Haus, um in einen der Mannschaftsbusse zu steigen, in dem sich der SEK-Chef, ein drahtiger Mann mit Schnauzbart, die Lage erläutern ließ. »Wir haben die umliegenden Häuser geräumt«, teilte Bruhn kurz mit. Über seine Glatze rann Regenwasser.
»Ist der Täter bewaffnet?«, fragte der SEK-Chef nach.
»Keine Erkenntnisse«, erklärte Bruhn, »es ist aber davon auszugehen. Er ist mit äußerster Brutalität gegen einen Hausbewohner vorgegangen.«
In aller Eile hatte sich Häberle in der vergangenen halben Stunde mithilfe von Oberbürgermeister Schönmann einen Lageplan
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