Himmelsfelsen (Krimi-Edition)
außer Atem und schweißgebadet, kniete sich zu ihm nieder. Er brauchte nicht lange, um den Tod zu diagnostizieren.
Inzwischen war bereits die Kriminalpolizei in Göppingen verständigt. Mittlerweile hatte sich in der Ortsmitte auch ein Journalist den Weg durch die Menge gebahnt und war über das Absperrband gestiegen. Die Beamten kannten ihn. Seit Jahren schon war Georg Sander Redakteur der ›Geislinger Zeitung‹ und für Polizei und Gericht zuständig. Missler hatte sich ohnehin bereits gewundert, wo dieser solang blieb. Schließlich wohnte der Journalist doch sogar in Eybach und musste das Sirenengeheul mitgekriegt haben.
Sander grüßte freundlich und ging schnurstracks auf Uli Stock zu, den Pressesprecher, der trotz der morgendlichen Stunde schon nach Eybach geeilt war. Die beiden Männer schüttelten sich freundschaftlich die Hände.
Sander stellte fragend fest: »Da ist einer vom Felsen gefallen?«
»Der Kandidat hat hundert Punkte«, versetzte Stock theatralisch und blickte zu der Felswand hinauf.
»Absturz um diese Zeit schon?«
»Ja, das verwundert ein bisschen. Ein Jogger sei’s. Vielleicht im Eifer des Gefechts ein bisschen zu weit nach vorne gerannt und zu spät gebremst.« Stock verzog das Gesicht zu einem Grinsen.
Sander blickte ebenfalls nach oben, wo jetzt die ersten Sonnenstrahlen die Oberkante des Felsens trafen. »Weiß man denn schon, wer es ist?«
»Keine Ahnung. Das sollen die Spezialisten von der Kripo feststellen.«
»Wer ist der ›Glückliche‹, der heut’ schon in die Provinz muss?«,erkundigte sich Sander.
Stock lächelte vielsagend: »Der Häberle hat heut’ Nacht Bereitschaftsdienst gehabt, ich denk’, dass er um diese Zeit noch dran ist. Wird sich freuen.«
Der Häberle also, dachte Sander zufrieden. Ein erfahrener Beamter, ein Gemütsmensch, ein Praktiker, einer, der wusste, worauf es ankam. Mit Häberle hatte Sander schon viele große Fälle gehabt und spannende Storys darüber schreiben können. Er freute sich deshalb, den fähigen Kriminalisten heute wieder zu treffen.
Sander wollte sich selbst ein Bild vom Unglücksort verschaffen. »Packen wir’s?«, fragte er Stock. Der schluckte, blickte zur Felswand hinauf und zögerte einen kurzen Moment, ehe er sagte: »Okay, wenn Sie meinen.«
Auf der Autobahn war an diesem Dienstagmorgen nur mäßiger Verkehr. Die A8, die von München nach Karlsruhe führt, an Ulm und Stuttgart vorbei, hatte jedoch wieder ihre übliche starke Lkw-Belastung aufzuweisen. Zum Leidwesen von Harry Saalfelder, der seinen silbernen Porsche somit nicht voll ausfahren konnte. Immer nur zwischen 100 und 150 km/h, bedauerte er im Stillen. Dabei hätte der Motor noch sehr viel Leistung zu bieten gehabt. Seine Mitfahrerin, die 23-jährige Susann Stahlecker, die ›wenn sie gefragt wurde‹ als Beruf ›Service-Dame‹ in der Ulmer Diskothek ›High-Noon‹ angab, saß schon seit geraumer Zeit stumm neben ihm. Obwohl sie in Ulm bereits kurz vor dem Morgengrauen losgefahren waren, hatte sich die junge Frau mit den langen blonden Haaren sommerlich gekleidet. Ein Miniröckchen in orangefarbenen Tönen und weiße Schuhe vermittelten ein bisschen Urlaubsstimmung. Saalfelder, drahtig und knapp 30, hatte sich dagegen für einen ockergelben Freizeit-Look entschieden.
»Schläfst du?«, fragte er die junge Frau und drehte das Radio leiser, in dem die Popmusik irgendeines Privatsenders spielte.
Die junge Frau blicke nach links zu ihm herüber. »Nur ein bisschen«, meinte sie und lächelte, während gerade die blauen Hinweisschilder aufs Autobahnkreuz Frankfurt vorbeihuschten.
»Wir haben’s ja gleich geschafft«, sagte Saalfelder.
»Weißt du denn, wo das genau ist?«, fragte seine Begleiterin.
»Aber klar doch. Ich war ja schließlich schon ein paar Mal dort«, grinste er. »Kann nur sein, dass jetzt im morgendlichen Berufsverkehr ein bisschen Hektik herrscht.«
»Und die Jungs sind um diese Zeit schon ansprechbar?«
»Was heißt ›schon‹? Das sind Nachtvögel, die haben durchgearbeitet.« Saalfelder grinste.
Der Porsche zog jetzt kräftig an einer Kolonne von Lastzügen vorbei.
»Aber dann geh’n wir irgendwo frühstücken?«
»Klar, mein Mäuschen, wir werden es uns anschließend so richtig gemütlich machen.«
Zufrieden lächelnd lehnte sie sich zurück. Sie konnte sicher sein, dass ihr Beifahrer alles im Griff hatte.
In Eybachs Ortsmitte war inzwischen der weiße Zivilwagen der Kriminalpolizei eingetroffen. August Häberle, rund
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