Himmelsfelsen (Krimi-Edition)
Flur, an dessen Wänden unzählige Geweihe und Gemälde hingen. Der Boden war mit ausgetretenen Steinplatten belegt. »Ich geh’ voraus«, beschied der Graf und schritt schweigend links durch den langen Gang zu einer steinernen Treppe, die ins erste Obergeschoss führte. Auch hier waren die Wände mit düsteren Gemälden geschmückt, die Szenen von Schlachtfeldern mit berittenen Soldaten zeigten. Oben angekommen, öffnete er die erste Tür, die in eine Art Bibliothek führte. In riesigen Schränken, die aus dunklem Holz gefertigt waren, standen hinter Glas Hunderte von Büchern. In der Mitte des Raumes, vor dessen Fenstern dicke Vorhänge hingen, befand sich ein schwerer Tisch, um den mehrere gepolsterte Stühle mit senkrechten Holzlehnen gruppiert waren. Der Graf bot seinen Besuchern an, Platz zu nehmen.
»Sie haben Fragen an mich?«,begann der Graf das Gespräch.
»Ja, ein paar wenige«, sagte Häberle, »der gestrige Fall, es ist ein Mord, das wissen Sie, zwingt uns, den Tatort-Bereich abzuchecken. Sie wissen vielleicht, dass es am frühen Morgen passiert ist.« Häberle bemerkte, wie sein Gegenüber die Augenbrauen verengte, und machte eine Pause. Linkohr schaute seinen Chef an, der dann fortfuhr: »Wir sollten wissen, wer um diese frühe Zeit dort oben im Wald verdächtige Beobachtungen gemacht hat.«
Der Graf blieb ruhig, sagte nichts.
»Ihr Schloss befindet sich in unmittelbarer Nähe des Tatorts«, fuhr Häberle fort, »zumindest in Luftlinie gesehen«, fügte er hinzu, »uns würde einfach interessieren, ob Sie etwas Verdächtiges bemerkt, gehört oder vielleicht sogar gesehen haben?«
Graf von Ackerstein saß aufrecht auf seinem historischen Stuhl. Er schien zu überlegen, um dann bedächtig zu sprechen: »Ob ich hier etwas Verdächtiges bemerkt habe …«, wiederholte er und schien das Wort »hier« zu betonen.
»Hier oder anderswo«, mischte sich jetzt Linkohr ein.
Der Graf stutzte. »Wie meinen Sie das, hier und anderswo?«
»Nun«, sagte Häberle, »es könnte ja sein, Sie hätten draußen auf der Straße oder bei irgendeiner anderen Gelegenheit etwas bemerkt.«
»Wo sollte ich denn da etwas bemerkt haben?«, fragte der hagere Mann zurück.
»Sie waren auch nicht unterwegs …?«,fuhr Häberle fort.
»Um diese Zeit, früh morgens? Wieso sollte ich?«
»Sie besitzen einen Geländewagen«, stellte Linkohr plötzlich fest, so schnell, dass sich der Graf erschrocken zu ihm drehte. Er schwieg.
»Sie fahren doch einen Geländewagen«, wiederholte Häberle ruhig, aber bestimmt.
Noch immer schwieg der Graf. Er kniff die Lippen zusammen, als wolle er sich selbst verbieten, etwas zu sagen.
»Sie waren gestern früh da oben im Wald«, behauptete Linkohr.
»Ziemlich früh sogar«, ergänzte Häberle und sah, wie der Graf tief Luft holte.
»Sie sollten davon Abstand nehmen, mich wie einen Verdächtigen zu behandeln«, sagte er schließlich hochmütig. Er schien seine Fassung wieder gefunden zu haben.
»Sie machen sich selbst zum Verdächtigen, wenn Sie uns nicht die Wahrheit sagen«, stellte Häberle fest.
»Ich verwahre mich dagegen, dass Sie mich der Lüge verdächtigen«, erwiderte der Graf und saß jetzt noch aufrechter auf seinem Polsterstuhl, als bisher.
»Dann lassen Sie uns zur Sache kommen«, sagte Häberle, »Sie waren also gestern früh da oben im Wald?«
»Ja, ich war da oben«, gestand der Graf nun mit fester Stimme, »ich war auf der Jagd, genauer gesagt: Ich hab’ mich auf einen Hochsitz gesetzt, um diese wunderschöne Morgenstimmung zu genießen. Nicht, um zu schießen, sondern, um diese Atmosphäre zu erleben. Das ist auch schon alles.«
»Und gesehen haben Sie nichts?«, fragte Linkohr.
»Nein, gar nichts. Auch nichts gehört. Sie sollten wissen, dass das Konzert der Vögel zu dieser Jahreszeit enorm laut ist.«
»Und sonst haben Sie wirklich überhaupt nichts gehört?«, fragte Häberle nach.
Von Ackerstein überlegte einen kurzen Augenblick. »Irgendwann hab’ ich Sirenen von Einsatzfahrzeugen gehört, aber da war ich schon beim Weggehen.«
»Aber gesehen haben Sie niemanden, keinen Landwirt, keinen Jogger, gar niemand?«,wollte Häberle wissen.
»Nein, ich sagte Ihnen doch: Nichts ist mir aufgefallen, deshalb erschien es mir auch überhaupt nicht wichtig zu sein, Angaben zu machen. Wissen Sie, unsereiner hält sich aus solchen Dingen am liebsten heraus. Das mag etwas für sensationsgierige Menschen sein, für uns jedenfalls nicht.«
»Sie sind danach
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