Himmelsfelsen (Krimi-Edition)
heimgefahren«, stellte Linkohr fest.
»Ja, ganz genau.«
»Über die Stöttener Steige oder den anderen Weg, durchs Roggental?«
»Durchs Roggental. Dort fahr’ ich morgens immer, eine traumhafte Atmosphäre dort.«
»Und Sie sind von der Roggentalstraße direkt in Ihr Schloss eingebogen?«,fuhr Linkohr fort.
»Ja, wie immer«, bestätigte der Graf.
»Dann müssten Sie die vielen Einsatzfahrzeuge drüben in der Ortsmitte doch gesehen haben.«
»Natürlich, da war ziemlich viel los. Aber wie ich Ihnen schon sagte, das ist nichts für unsereins.”
»Es hat Sie also gar nicht interessiert, was da geschehen ist?«,wollte Linkohr weiter wissen.
»Nein. Ich hab’ mich aufs Ohr gelegt. Wissen Sie, in meinem Alter liebt man es, sich zurückziehen zu können«, Ackerstein blickte zu einem der Fenster.
Häberle wechselte das Thema: »Dann erübrigt sich auch die Frage, ob Sie den Ermordeten gekannt haben?«
Ackerstein zögerte kurz und sagte schließlich: »Diese Frage erübrigt sich in der Tat. Ich hab’ ihn nicht gekannt.«
»Aber dessen Bruder doch wohl schon, oder?«,fasste Linkohr nach.
»In der Zeitung steht, es sei der Bruder von diesem Fronbauer gewesen, diesem Stadtrat. Der ist mir ein Begriff.«
»Woher?«, fragte Linkohr.
Graf von Ackerstein zögerte wieder kurz. »Nun, er wird doch aufgrund seines Amtes hin und wieder in der Zeitung zitiert. Außerdem hat er sich erst jüngst für die Erhaltung der Grünmasse-Sammelplätze ausgesprochen und sich heftig ereifert, dass es nun nur noch einen Sammelplatz droben im Franzosenkübel geben soll.«
»Diesen Streit haben Sie verfolgt?«,mischte sich jetzt Häberle ein.
»Ja, natürlich. Sie müssen wissen, das Gelände gehört mir.«
Die beiden Kriminalisten hatten sich für das Gespräch bedankt und waren allein das kühle Treppenhaus mit den blanken Steinstufen abwärts gegangen. Unten im Flur kam ihnen ein junger Mann entgegen, der vom Äußeren her nicht verleugnen konnte, der Junior des Alt-Grafen zu sein. Sie begrüßten sich, worauf der schlanke junge Mann wissen wollte, wer die Besucher seien. Häberle nannte die Namen und ihre Aufgabe.
»Was hat Ihnen mein Vater denn erzählt?«,wollte der Jung-Graf wissen, der trotz der sommerlichen Hitze ein olivgrünes langärmeliges Hemd und Kniebundhosen trug.
»Was sollte er uns denn erzählt haben?«, fragte Häberle zurück.
»Verstehen Sie mich nicht falsch, aber er ist manchmal ein bisschen, na, sagen wir, uneinsichtig«, meinte der Junior.
»Ja, das haben wir bemerkt. Er wollte uns zunächst nicht sagen, dass er gestern früh im Wald oben war.«
»Und, hat er’s dann trotzdem gesagt?«
»Es ist ihm nichts anderes übrig geblieben. Wir haben einen Zeugen, der seinen Geländewagen gesehen hat«, erklärte Häberle.
»Und sonst, was hat er sonst noch gesagt?«,wollte der Jung-Graf wissen, der sich mit der linken Hand an der Stirn kratzte, wobei Häberle ein blauer, verblassender Fleck auf dem Handrücken auffiel.
Die Männer schwiegen einen kurzen Moment. Häberle zuckte die Schultern: »Nichts, hätte er uns noch etwas sagen sollen?«
»Nein, nein«, beeilte sich der Jung-Graf zu sagen und verabschiedete sich von den Kriminalisten, die vollends allein zur schweren Haustür gingen und in die Hitze des Spätnachmittags hinaustraten.
»Auch ein Disco-Fan, der Herr Jung-Graf«, stellte Häberle beim Einsteigen ins Auto fest. Linkohr machte ein verständnisloses Gesicht, worauf sein Chef ihm die Erklärung gab: »Blauer Stempel auf dem Handrücken.«
Es war kurz nach 18 Uhr, als Häberle und Linkohr wieder im Lehrsaal der Geislinger Polizei eintrafen. Dort wurden sie bereits von Lokaljournalist Georg Sander erwartet. Zum abendlichen Pressegespräch war jedoch auch Uli Stock, Pressesprecher der Polizeidirektion Göppingen, hergeeilt. Er wollte die Medieninformation nicht allein Häberle überlassen, sondern, wie es vorgeschrieben war, die Pressekonferenz selbst leiten. Auch eine Vertreterin der »Stuttgarter Zeitung«, ein Kamerateam eines privaten Fernsehsenders und eine Praktikantin des Göppinger Lokalradios waren bereits anwesend. Während sich Linkohr seinen Kollegen zuwandte, die in einer anderen Ecke des Lehrsaals über Akten brüteten, begrüßte Häberle die beiden Medien-Frauen und bat auch Sander und Stock, an dem Tisch Platz zu nehmen. Stock übernahm pflichtbewusst den »Vorsitz« und hieß die Medienvertreter offiziell willkommen. »Wir haben Sie angesichts der Bedeutung des
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