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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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zu Gregor schleifen, genau vor Tim, der mit einer Kamera dastand. Ich ergriff die Flucht und drängelte mich rücksichtslos an den Leuten vorbei, die begannen, dem Ausgang zuzustreben.
    „Tja, manche sind nur zum Essen hier, schlimm so was …“, schimpfte eine fette Ziege, weil ich an ihrem viel zu breiten Hintern nicht vorbeikam. In der komplett silbernen Vorhalle erspähte ich einen kleinen Notausgang und lief darauf zu. Erst wollte der Sicherheitsmann mich nicht durchlassen, aber ich zog das Schild aus der Hosentasche, was ich eigentlich an mein Shirt hätte heften sollen und das mich nicht nur als VIP, sondern auch als die Tochter von Gregor Wende auswies. Der Beamte schenkte mir ein nettes Lächeln und ich durfte passieren.
    Draußen hielt kurz inne und holte tief Luft. Dann sah ich mich um. Ein kleiner Hof trennte mich von dem ersten der riesigen Türme. Ich ging auf ihn zu und hörte ein immer lauter werdendes Rauschen. Es kam aus seinem Inneren. Vor mir tat sich das gigantische Labyrinth aus Rohren auf. Aus der Nähe betrachtet war jedes mindestens so dick wie ein Laternenpfahl. Ich ging ein Stück hinein, kletterte über einige der Fließstrecken, die am Boden entlangliefen, duckte mich unter weiteren hindurch und stand plötzlich inmitten einer von allen Seiten rauschenden Welt aus Rohren und blauem Himmel. Vor mir ragte der zweite der immens hohen Türme auf. Ich entdeckte eine Tür und rüttelte an ihr. Aber sie war verschlossen. Ich wusste nicht, was ich hier wollte. Es tat einfach gut, hier zu sein. Das Rauschen erlöste mich vom Grübeln. Es war, als würde es durch mich hindurch rauschen, als würden mit Gregors Anlage auch meine Gehirngänge gereinigt.
    Doch was mich gerade noch beruhigt hatte, wurde mir von einer Sekunde auf die Andere plötzlich unheimlich. Wie aus dem Nichts kroch Angst in mir hoch. Was war denn jetzt schon wieder los? Frei flottierende Ängste sind Ängste, die aus dem Nichts kommen , ging mir eine der beeindruckenden Definitionen von Luisa durch den Kopf. Aber das konnte es nicht sein. Ich fühlte mich irgendwie … beobachtet. Ich spitzte meine Ohren, doch sie konnten mir nicht helfen. Das Rauschen des Wassers ließ jedes andere Geräusch untergehen. Panik befiel mich. Inzwischen war ich mir ganz sicher, nicht allein hier zu sein. Blitzartig drehte ich mich um und lief los, stolperte über eins der Rohre, fiel hin, glaubte, hinter mir undefinierbare Geräusche wahrzunehmen, rappelte mich wieder auf und hörte plötzlich ganz dicht an meinem Ohr die Stimme von meinem Vater:
    „Kira, was machst du denn hier?! Wir haben dich gesucht.“
    Dankbar fiel ich in seine Arme. Die Symptome von Panik waren augenblicklich verschwunden.
    „Ich brauchte nur mal frische Luft, ich …“ Er stellte mich wieder auf die Beine und musterte mich streng.
    „Die Rohranlage … sie ist beeindruckend.“
    Mein Vater musterte mich immer noch. Würde er gleich ausrasten, weil ich mich an seinem wichtigen Tag nicht angemessen benahm? Oder hob er sich das für Zuhause auf. Sein Anflug von Fürsorglichkeit kam deshalb umso überraschender.
    „Du musst was essen. Das ist alles!“
    „Ja …“, brachte ich heraus und überlegte krampfhaft, wie ich ihm meine Dankbarkeit ausdrücken konnte. Ich musste ihm noch gratulieren, natürlich.
    „Glückwunsch. Es war toll. Ich bin stolz …“
    Mein Vater nickte und lächelte, als gehörte meine Gratulation zu den Wichtigsten, die er heute erhalten hatte. Ich war verwirrt. Er schien unbändig gute Laune zu haben. Er reichte mir seinen Arm und ich hakte mich ein. Mir fiel Tim wieder ein. Wenn er uns so sah! … Dann wusste er eben Bescheid. Na und? Ich konnte meinen Vater jetzt deshalb nicht stehen lassen. Außerdem war dieser „Lehrling in Enthüllungsjournalismus“ auf einmal ziemlich unwichtig. Ich stand unter dem Eindruck des Erlebnisses, dass ich eben gehabt hatte. Ich war mir sicher, dass dort etwas gewesen war. Jemand hielt sich zwischen den Rohren versteckt und hatte mich beobachtet. Ein Saboteur? Sollte ich Gregor davon erzählen? Doch dazu war mein sicheres Gefühl zu diffus, zu paranoid, zu ähnlich mit meiner gestrigen Panikattacke. Immerhin hatte dieser Anfall nichts mit Tim zu tun gehabt. Zumindest nicht direkt. Und wenn es doch die ersten Symptome einer psychischen Krankheit waren? Ich spürte leise Angst. Wie eine Retterin stand plötzlich eine Kellnerin mit einem Tablett voller Getränke vor uns. Ich schnappte mir ein Glas Sekt und wagte

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